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Die rechtliche Problematik des Unterbindungsgewahrsams in der Bundesrepublik Deutschland. Verfassungsmäßigkeit und Voraussetzungen der einzelnen Regelungen in den Bundesländern

von Katja Stammen

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[1.] Ks/Fragment 195 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-11-27 07:38:18 WiseWoman
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Ks, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Stoermer 1998

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 195, Zeilen: 01-28
Quelle: Stoermer 1998
Seite(n): 109; 111; 112, Zeilen: 109:17-27; 111:29-32; 112: 1-21
[Bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die sich während der Versammlung] ergeben, kann nach § 15 Abs. 2 VersG nur eine Auflösung erfolgen. Dieses wirft nach dem Bundesverwaltungsgericht aber die Frage nach der Anwendbarkeit weniger belastender Mittel zur Abwehr dieser Gefahren auf, auch wenn diese Mittel in einem anderen Gesetz geregelt sind. Diese milderen Mittel sind dann den entsprechenden Polizeigesetzen zu entnehmen, wenn das Versammlungsgesetz nicht Gleichwertiges anzubieten hat. Das Versammlungsgesetz regelt dementsprechend nach dem Bundesverwaltungsgericht zwar das gesamte Versammlungsrecht abschließend; schließt aber nicht aus, aufgrund der Verhältnismäßigkeit in Einzelfällen auf mildere Maßnahmen aus dem Polizeirecht zurückzugreifen734.

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besteht dementsprechend keine „strikte“ Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts. Dieses hätte nämlich zur Folge, dass eine Versammlung letztlich immer erst aufgelöst werden müsste, auch wenn mildere Maßnahmen, wie etwa die Sicherstellung und Einziehung von Plakaten und Transparenten zur Verfügung stehen. Die Auflösung einer Versammlung kann daher immer nur das äußerste Mittel der Gefahrenabwehr sein, da von den verantwortlichen Behörden, auch im Hinblick auf den oben angesprochenen Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, zunächst alle anderen Mittel ausgeschöpft werden müssen, die weniger einschneidend sind735. Einzelne Störer können daher grundsätzlich mit polizeilichen Maßnahmen belegt werden, da sie den Schutz des Art. 8 GG nicht genießen. Hier wären jedoch zuerst §§ 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG anzuwenden, die es erlauben, die Störer von den jeweiligen Veranstaltungen auszuschließen. Wenn ein Ausschluss allein keinen Erfolg verspricht, können weitergehende Maßnahmen nach den Polizeigesetzen getroffen werden736. Es besteht daher eine verfassungsrechtliche Verpflichtung aus Art. 8 GG, eine Versammlung nicht deswegen aufzulösen, weil einzelne Störer versuchen, den friedlichen und reibungslosen Ablauf einer Versammlung oder Demonstration zu unterlaufen737. Das gleiche Prinzip gilt auch bei Gegendemonstrationen, da die ursprüngliche Versammlung Vorrang genießt und nicht wegen der Gegenveranstaltung aufgelöst werden darf738.


734 Vgl. BVerwG, NJW 1982, 1008 (1009); BVerwGE 64, 55 (55 ff.); Stoermer, Der polizeirechtliche Gewahrsam, S. 109 f.; OVG Bremen, NVwZ 1987, 235 (236); Alberts, VR 1987, 298 (300).

735 Stoermer, Der polizeirechtliche Gewahrsam, Lohse/Vahle, VR 1992, 321 (321).

736 So Stoermer, Der polizeirechtliche Gewahrsam, S. 112.

737 Burfeind, Polizeiliche Maßnahmen gegen gewalttätige Demonstranten, S. 182; Lohse/Vahle, VR 1992,321(324).

738 Lohse/Vahle, VR 1992, 321 (325).

[S. 109]

Bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die sich während der Versammlung ergeben, kann nach § 15 II VersammlG nur eine Auflösung erfolgen. Dies wirft nach dem Bundesverwaltungsgericht aber die Frage nach der Anwendbarkeit weniger belastender Mittel zur Abwehr dieser Gefahren auf, auch wenn diese Mittel in einem anderen Gesetz geregelt sind. Diese milderen Mittel sind dann den Polizeigesetzen zu entnehmen, wenn das Versammlungsgesetz nicht Gleichwertiges anzubieten hat. Das Versammlungsgesetz regelt nach dem Bundesverwaltungsgericht zwar das gesamte Versammlungsrecht abschließend; das schließt aber nicht aus, aufgrund der Verhältnismäßigkeit in Einzelfällen auf mildere Maßnahmen231 aus dem Polizeirecht zurückzugreifen.232

[S. 111]

[...]

Unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit läßt sich eine strikte „Polizeifestigkeit“ somit ebensowenig konsequent durchhalten, da dies zur Folge haben könnte, daß eine Versammlung aufgelöst werden müßte, wenn nicht mit milderen Mitteln einzelne

[S. 112]

Anstoßpunkte beseitigt werden könnten. Hier ist vor allem an die Mitführung von Plakaten und Transparenten zu denken. Eine Sicherstellung, Einziehung, aber auch eine Ingewahrsamnahme nach den polizeirechtlichen Eingriffsermächtigungen ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sicherlich angebrachter, als die Versammlung an sich aufzulösen. Die Auflösung einer Versammlung kann daher immer nur das äußerste Mittel der Gefahrenabwehr sein, da von den verantwortlichen Behörden, auch im Hinblick auf den oben angesprochenen Brokdorf-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, zunächst alle anderen Mittel ausgeschöpft werden müssen, die weniger einschneidend sind.242 Einzelne Störer können daher grundsätzlich mit polizeilichen Maßnahmen belegt werden, da sie den Schutz des Art. 8 GG nicht genießen. Hier wären jedoch zuerst §§18 III, 19 IV VersammlG anzuwenden, die es erlauben, die Störer von den jeweiligen Veranstaltungen auszuschließen. Wenn ein Ausschluß alleine nicht fruchtet, können weitergehende Maßnahmen nach den Polizeigesetzen getroffen werden. Es besteht daher eine verfassungsrechtliche Verpflichtung aus Art. 8 GG, eine Versammlung nicht deswegen aufzulösen, weil einzelne Störer versuchen, den friedlichen und reibungslosen Ablauf einer Versammlung oder Demonstration zu unterlaufen.243 Das gleiche Prinzip gilt auch bei Gegendemonstrationen, da die ursprüngliche Versammlung Vorrang genießt und nicht wegen der Gegenveranstaltung, also einfach aus Gründen der Praktikabilität, aufgelöst werden darf.244



231 Alberts in VR 1987 S. 300.

232 Vergl. hierzu BVerwG in NJW 1982 S. 1008 ff, 1009 = BVerwGE 64 S. 55 ff., z.B. die Sicherstellung von Spruchbändern und Plakaten aufgrund der entsprechenden Normen der Länderpolizeigesetze: „Die Vorschrift des § 15 VersammlG verweist insofern mit der Wendung, daß die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen kann, auf den dieser Behörde zustehenden Befugniskatalog ... daß sich die zuständige Behörde zur Abwehr der von einer Versammlung ausgehenden unmittelbaren Gefahren, aller nach geltendem Recht zur Abwehr unmittelbarer in NVwZ 1987 S. 235 ff, 236; für wenig geglückt hält Alberts in VR 1987 S. 300 diese Konstruktion mit einem Plädoyer, nochmals gründlich über den Begriff der Polizeifestigkeit nachzudenken.


242 So auch Lohse/Vahle in VR 1992 S. 321: „ultima-ratio Prinzip“ der Auflösung.

243 So auch Burfeind, Diss. Göttingen S. 182; Lohse/Vahle in VR 1992 S. 324.

244 Lohse/Vahle in VR 1992 S. 325; dort auch eine kurze Zusammenfassung der polizeilichen Vorgehensweise hinsichtlich der Gegendemonstration, die u.U. auch wieder schutzwürdig ist.

Anmerkungen

Quelle ist in drei Fn. genannt, aber Umfang der Übernahme nicht klar.

Sichter
(SleepyHollow02), WiseWoman



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