VroniPlag Wiki

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Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 151, Zeilen: 1 ff. (komplett)
Quelle: Tibi 1994
Seite(n): 256, 257, 286, 298, Zeilen: 256: 27 ff.; 257: 3 ff.; 286: 11 ff.; 287: 4 ff.; 298: 9 ff.: 299: 1 ff.
[Ein ausdifferenziertes institutionelles System, in] dem eine nach dem Prinzip der Gewaltenteilung unabhängige und autonome Richterschaft eine zentrale Rolle spielt, ist der Hüter der legalen Herrschaft. Es reicht eben nicht aus, auf die Frömmigkeit der Herrscher oder auf ihr subjektives religiöses Pflichtgefühl, so wie dies im Islam vertreten ist, zu vertrauen. Vielmehr ist eine institutionell kontrollierbare Unterordnung unter das Recht das Rückgrat jeder legalen Herrschaft. Dies ist eine säkulare, d.h. weltlich zu regelnde, und keine göttliche Angelegenheit, die zwischen dem Herrscher und Gott unter Ausschluss des Volkes zu entscheiden wäre. Im klassischen Islam wurde die Vorschrift entwickelt, dass politische Herrscher, vermögen sich auch noch so ungerecht sein, nur Gott gegenüber verantwortlich seien.606 Und auch aktuell gibt es nur wenig Entwicklung. In der „Islamischen Deklaration der Menschenrechte“ kann man lesen607, dass politische Herrschaft ein Amt sei, das Gott, also nicht das Volk, verleiht. Gott hat das islamische Recht, die Scharia, verkündet, um die Beziehungen zwischen Herrscher und Beherrschten zu regulieren. Im Bewusstsein dieser Aussage schreiben die Verfasser der islamischen Deklaration dem Islam den Charakter einer legalen Herrschaft zu. Für sie ist die Scharia nicht nur islamisches Recht, sondern Recht im Allgemeinen, d.h. für die gesamte Menschheit bestimmt.608 Legale Herrschaft basiert auf modernem Recht, welches legislativ ist. Die Scharia ist jedoch ein interpretatives Recht, das auf der Erforschung des göttlichen Willens, wie er im Koran geoffenbart worden ist, basiert. Es geht also um göttliche Gebote als ethische und moralische Richtlinien für das Leben der Menschen, nicht aber um Rechte als materielle Regeln für Institutionen. Ob Europa den Islam auf seinem Territorium tolerieren kann, ist mit der Frage verbunden, ob Muslime individuelle europäische Bürger werden oder ethnisch-religiöse Kollektive bilden. Es ist zu befürchten, dass sich muslimische Migranten in England, Frankreich und Deutschland sich in Zukunft defensiv als ethnische Wir-Großgruppen formieren werden, sollte den Abschottungstendenzen nicht entgegengewirkt werden. Dies ist eine große Gefahr, die einem ethnisch-religiösen Konfliktszenario in Europa zugrunde liegt: Islamische Fundamentalisten lehnen die Einstufung der Muslime als individuelle Bürger ab, weil sie die islamische Gemeinde vorzugsweise als den verlängerten Arm der Welt des Islam sehen möchten. „Euro- Islam“ wäre genau das Gegenprogramm zu einer solchen fundamentalistischen Strategie, weil es Muslime anerkennt und nicht dem religiös-ethnischen Kollektiv einverleibt. Wenn man ohne Doppeldeutigkeiten und multikulturelles Zögern darauf besteht, die kulturelle Moderne, also Demokratie, Pluralismus und individuelle Menschenrechte, als Identitätsbasis der Zivilisationen Europas zu bewahren, dann muss man politisch-kulturelle Forderungen an Migranten aus vormodernen Kulturen stellen. Für einen Muslim aus dem Orient, der durch einen Wahlakt europäischer Bürger geworden ist und somit beiden Zivilisationskreisen angehört, ist daher die Erfüllung solcher Forderungen im Rahmen der Überwindung der Spannung zwischen Islam und kultureller Moderne, zunächst auf dem europäischen Kontinent selbst, zentral. Die Muslime können im freiheitlichen Europa ungehindert ihre Religion ausüben, Moscheen errichten und nach dem Modell des einst toleranten Islam einen aufgeschlossenen demokratischen „Euro-Islam“ entfalten, der unter den Bedingungen unseres Zeitalters mit der Moderne vereinbar ist. Im öffentlichen Leben Europas in unserem Zeitalter gibt es religiöse Toleranz nach dem Verständnis der säkularen Kultur der Moderne; Toleranz gilt heute nicht mehr nach [dem islamischen Vorbild des Mittelalters als Duldung der Christen und Juden.]

606 Tibi, Im Schatten Allahs, München 1994, S. 257.

607 Vgl. bereits obige Ausführungen unter A II 7.

608 Vgl. oben detaillierte Ausführungen unter A II 7.

Ein ausdifferenziertes institutionelles System, in dem eine nach dem Prinzip der Gewaltenteilung unabhängige und autonome Richterschaft eine zentrale Rolle spielt, ist der Hüter jeder legalen Herrschaft. Es reicht nicht aus, auf die Frömmigkeit der Herrscher oder auf ihr subjektives religiöses Pflichtgefühl, so wie dies im Islam der Fall ist, zu vertrauen. Vielmehr ist eine institutionell kontrollierbare Unterordnung unter das Recht das Rückgrat jeder legalen Herrschaft. Dies ist eine säkulare, d.h. weltlich zu regelnde, und keine göttliche Angelegenheit, die zwischen dem Herrscher und Gott unter Ausschluß des Volkes zu entscheiden wäre.

[Seite 257]

Im klassischen Islam entwickelte der mittelalterliche Rechtsgelehrte Ibn Taimiyya die Vorschrift, daß politische Herrscher - mögen sie auch noch so ungerecht sein - nur Gott gegenüber verantwortlich seien.10 Wie sieht dies in der Gegenwart, d.h. im modernen Islam aus?

In der »Islamischen Deklaration der Menschenrechte« lesen wir, daß politische Herrschaft ein Amt sei, das Gott - also nicht das Volk - verleiht. Vor Gott sind Herrscher und Beherrschte jedoch Gleiche. Er hat das islamische Recht, die Scharia, verkündet, um die Beziehungen zwischen ihnen zu regulieren: »Der Herrscher, als Amtsinhaber, ist verpflichtet, hinsichtlich der Ziele (Ghayat) und der Methoden (Minhadj) in Einklang mit der Scharia zu handeln.« Im Bewußtsein dieser Aussage schreiben die Verfasser der islamischen Deklaration, offensichtlich projizierend, dem Islam den Charakter einer »legalen Herrschaft« zu. Für sie ist die Scharia nicht nur islamisches Recht, sondern Recht im allgemeinen, d.h. für die gesamte Menschheit bestimmt! Legale Herrschaft basiert auf modernem Recht, welches legislativ ist. Die Scharia jedoch ist ein interpretatives Recht, das auf der Erforschung des göttlichen Willens, wie er im Koran geoffenbart worden ist, basiert (vgl. Kap. 7). Es geht also um göttliche Gebote als ethische und moralische Richtlinien für das Leben der Menschen, nicht aber um Rechte als materielle Regeln für Institutionen.


10 [...]

[Seite 286]

Ob Europa den Islam auf seinem Territorium tolerieren kann, ist mit der Frage verbunden, ob Muslime individuelle europäische Bürger werden oder ethnisch-religiöse Kollektive bilden.

[Seite 287]

Es ist zu befürchten, daß muslimische Migranten in England, Frankreich und auch in Deutschland sich in Zukunft nach dem Vorbild auf dem Balkan defensiv als ethnische Wir-Großgruppen formieren werden. [...]

Ich möchte einleitend die drei größten Gefahren, die einem ethnisch-religiösen Konfliktszenario in Europa zugrunde liegen, angeben:

1) Islamische Fundamentalisten lehnen die Einstufung der Muslime als individuelle Bürger im Sinne von Citoyens in Europa ab, weil sie die islamische Gemeinde lieber als den verlängerten Arm der Welt des Islam sehen möchten. [...] Euro-Islam wäre genau das Gegenprogramm zu einer solchen fundamentalistischen Strategie, weil es Muslime als Individuen anerkennt und nicht dem religiös-ethnischen Kollektiv einverleibt.

[Seite 298]

Wenn man ohne Doppeldeutigkeiten und multikulturelles Zögern darauf besteht, die kulturelle Moderne, sprich säkulare Demokratie, Pluralismus und individuelle Menschenrechte, als Identitätsbasis der Zivilisation Europas und seiner Tochtergesellschaften in Nordamerika zu bewahren, dann muß man politisch-kulturelle Forderungen an die Migranten aus vor-modernen Kulturen stellen. Als Muslim aus dem Orient, der durch einen Wahlakt europäischer Bürger geworden ist und somit beiden Zivilisationskreisen angehört, halte ich die Erfüllung solcher Forderungen im Rahmen der Überwindung der Spannung zwischen Islam und kultureller Moderne zunächst auf dem europäischen Kontinent selbst für zentral.

[...] Die Muslime können im freiheitlichen Europa ungehindert ihre Religion ausüben, Moscheen errichten und nach dem Modell des einst toleranten Islam

[Seite 299]

im arabischen Spanien1 einen aufgeschlossenen demokratischen Euro-Islam entfalten, der unter den Bedingungen unseres Zeitalters mit der Moderne vereinbar ist.

Im öffentlichen Leben Europas in unserem Zeitalter gilt religiöse Toleranz nach dem Verständnis der säkularen Kultur der Moderne; Toleranz gilt heute nicht mehr nach dem islamischen Vorbild des Mittelalters als Duldung der Christen und Juden in ihrer Eigenschaft als »Dhimmi/Schutzbefohlene«.


1 [...]

1

Anmerkungen

Die Quelle ist in Fn. 606 mit Verweis auf S. 257 genannt.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann