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Angaben zur Quelle [Bearbeiten]

Autor     Michael Wimmer, Christoph Wulf, Bernhard Dieckmann
Titel    Einleitung: Grundlose Gewalt - Anmerkungen zum gegenwärtigen Diskurs über Gewalt
Sammlung    Das "zivilisierte Tier". Zur historischen Anthropologie der Gewalt
Herausgeber    Michael Wimmer, Christoph Wulf, Bernhard Dieckmann
Ort    Frankfurt am Main
Verlag    Fischer Taschenbuch-Verlag
Ausgabe    Orig.-Ausg.
Jahr    1996
Seiten    7-65
Umfang    246 S.
ISBN    3-596-12955-9
URL    http://www.ewi-psy.fu-berlin.de/einrichtungen/arbeitsbereiche/antewi/media/buecher_historische_anthropologie/zivilisiertes_tier/das_zivilisierte_tier_01.pdf

Literaturverz.   

ja
Fußnoten    ja
Fragmente    13


Fragmente der Quelle:
[1.] Gjb/Fragment 103 13 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-08 06:16:41 SleepyHollow02
Fragment, Gjb, KeineWertung, SMWFragment, Schutzlevel, Wimmer et al 1996, ZuSichten

Typus
KeineWertung
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
No
Untersuchte Arbeit:
Seite: 103, Zeilen: 13-26
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 0, Zeilen: 0
Und unter Bezug auf die im deutschen

Gewaltbegriff enthaltene Ambivalenz schreibt er weiter unten:

„Das Wort „Gewalt“ vereint folglich zwei Bedeutungen: die der Gewalt(tätigkeit/-samkeit) („violence“) und die einer legitimen Macht, einer gerechtfertigten Autorität. Wie soll man einen Unterschied machen zwischen der Gesetzeskraft („force de loi“) einer legitimen Gewalt oder Macht und der angeblich ursprünglichen Gewalt(tat) („violence“), die diese Gewalt oder Macht instauriert haben muss und die sich selber nicht auf eine vorgängige Rechtmäßigkeit berufen konnte, so dass sie in diesem anfänglichen Augenblick weder rechtmäßig noch unrechtmäßig war, andere würden übersetzt sagen: weder gerecht noch ungerecht?“. 250


250 DERRIDA 1991 , S. 13 ff.

Und unter Bezug auf die im deutschen Gewaltbegriff enthaltene Ambivalenz schreibt er etwas weiter unten: »Das Wort Gewalt vereint folglich zwei Bedeutungen: die der Gewalt(tätigkeit/ samkeit) [violence] und die einer legitimen Macht, einer gerechtfertigten Autorität. Wie soll man einen Unterschied machen zwischen der Gesetzeskraft [force de loi] einer legitimen Gewalt oder Macht und der angeblich ursprünglichen Gewalt(tat) [violence], die diese Gewalt oder Macht instauriert haben muß und die sich selber nicht auf eine vorgängige Rechtmäßigkeit berufen konnte, so daß sie in diesem anfänglichen Augenblick weder rechtmäßig noch unrechtmäßig war, andere würden überstürzt sagen: weder gerecht noch ungerecht?«95

94 J. Derrida, Gesetzeskraft,S. 12 f. 95 Ebenda, S. 13 f.

Anmerkungen

kW, weil im Wesentlichen Übernahme eines wörtlichen Zitats.

Sichter
(SleepyHollow02)


[2.] Gjb/Fragment 108 12 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-09 16:59:22 Guckar
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 108, Zeilen: 12-22
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 40, 41, Zeilen: 40: 25-36 ; 41: 1-2, 6-12
Wimmer et al.260 sind der Auffassung, dass die Vorstellung eines absolut friedlichen Zustandes der Menschheit, in dem die Gewalt aus der Politik eliminiert wäre und reine Gerechtigkeit herrschte, muss wohl eine Utopie bleiben muss.

Wie Hobbes war schon Kant diesbezüglich skeptisch, da für ihn hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Recht und Gewalt der Gewalt der Status eines Primärphänomens zukommt.261

Nur formal bezogen auf die Funktion der Gewalt in der bürgerlichen Gesellschaft, kann nach Kant dieser Unterschied gemacht werden, d.h. nach dem Maß ihrer möglichen Allgemeinheit bzw. Zustimmung oder Akzeptanz.262


260 WIMMER et al., 1996, S. 40.

261 KANT 1978, S. 309 ff. Siehe Anm. Nr. 96 in WIMMER et al., a.a.O., S. 40.

262 Siehe WIMMER et al., a.a.O., S. 40 ff.. „Wie lässt sich aber dann Gewalt begreifen, wenn man nicht den philosophischen oder wissenschaftlichen Diskurs verlassen will und sich auch mit der Auskunft Luthers nicht zufrieden gibt, demzufolge alle Gewalt ihren Ursprung in Gott hat? Gibt es eine „reine Gewalt“ die Benjamin zu bestimmen versuchte, oder ist auch jede vorgeblich reine Gewalt von Anfang an verunreinigt? Hat die Gewalt einen Grund, oder braucht sie keinen?”. In WIMMER et al., a.a.O., S. 41.

Die Vorstellung eines absolut friedlichen Zustandes der Menschheit, in dem die Gewalt aus der Politik eliminiert wäre und reine Gerechtigkeit herrschte, muß wohl eine Utopie bleiben. Wie Hobbes war schon Kant diesbezüglich skeptisch, da für ihn hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Recht und Gewalt der Gewalt der Status eines Primärphänomens zukommt.96 Nur formal, bezogen auf die Funktion der Gewalt in der bürgerlichen Gesellschaft, kann nach Kant dieser Unterschied gemacht

[Seite 41]

werden, d.h. nach dem Maß ihrer möglichen Allgemeinheit bzw. Zustimmung oder Akzeptanz. [...]

Wie läßt sich aber dann Gewalt begreifen, wenn man nicht den philosophischen oder wissenschaftlichen Diskurs verlassen will und sich auch mit der Auskunft Luthers nicht zufrieden gibt, demzufolge alle Gewalt ihren Ursprung in Gott hat? Gibt es eine »reine Gewalt«, die Benjamin zu bestimmen versuchte, oder ist auch jede vorgeblich reine Gewalt von Anfang an verunreinigt? Hat die Gewalt einen Grund, ist sie einer, oder braucht sie keinen?

Anmerkungen

Art und Umfang der Übernahme bleiben ungekennzeichnet.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[3.] Gjb/Fragment 141 18 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-07 21:31:55 Graf Isolan
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 141, Zeilen: 18-23
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 7, Zeilen: 7-13
III. Erscheinungsformen der Gewalt (Gewaltformen)

Im alltäglichen Diskurs über Gewalt wissen wir in der Regel worüber wir sprechen. Die Vorkommnisse, Situationen und Phänomene lassen sich in ihren Kontexten jeweils konkret bestimmen. Doch kaum versucht man, das Problem der Gewalt allgemein zu definieren, verliert sich die Klarheit des Gewaltbegriffs, und er zerfällt in sehr unterschiedliche und sich zum Teil widersprechende Bestimmungen [und Theorien. 324]


324 WIMMER et al., 1996, S. 7.

Im alltäglichen Diskurs über Gewalt wissen wir in der Regel, worüber wir sprechen. Die Vorkommnisse, Situationen und Phänomene lassen sich in ihren Kontexten jeweils konkret bestimmen. Doch kaum versucht man, das Problem der Gewalt allgemein zu definieren, verliert sich die Klarheit des Gewaltbegriffs, und er zerfällt in sehr unterschiedliche und sich z.T. widersprechende Bestimmungen und Theorien.
Anmerkungen

Die Quelle ist zwar in Fn. 324 genannt, Art und Umfang der Übernahme bleiben jedoch ungekennzeichnet.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[4.] Gjb/Fragment 142 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-09 16:59:31 Guckar
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 142, Zeilen: 1-5, 27-28
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 7, 8, Zeilen: 7: 9-31 ; 8: 1-4
[Doch kaum versucht man, das Problem der Gewalt allgemein zu definieren, verliert sich die Klarheit des Gewaltbegriffs, und er zerfällt in sehr unterschiedliche und sich zum Teil widersprechende Bestimmungen] und Theorien. 324 Dabei kommt ein Dilemma zum Vorschein, das dem Diskurs über Gewalt eigentümlich zu sein scheint und in nicht unerheblichem Maß für die Schwierigkeiten verantwortlich ist, in die sich eine Rede über Gewalt leicht verstrickt: Das Problem der Gewalt scheint sowohl als ein universelles als auch als ein negative. [sic]

“Der Gewaltbegriff setzt seiner kritischen Bestimmung durch Ein- und Abgrenzung Widerstand entgegen, weil alle Begriffe, die sich zunächst als Gegensatz zur Gewalt anbieten (z.B. Vernunft, Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit, usw.) mit dem Problem der Gewalt verstrickt sind, so dass als Opposition nur die negative Bestimmung der Gewaltlosigkeit bleibt, deren Fassung ebenso große Probleme bereitet. Zugleich wird Gewalt als etwas Negatives und Anormales bewertet, etwas, das vermieden, verhindert, aufgehoben werden muss und kann. Weil es kaum noch ein [sic] Lebensbereich gibt, in dem das Gewalt Problem [sic] nicht vorkommt, und weil sich gewaltfreie Zonen und Verhältnisse gar nicht mehr zweifelsfrei identifizieren lassen, ist man kaum noch in der Lage zu definieren, was Gewalt ihrem Wesen nach ist bzw. was in den verschiedenen konkreten Situationen als ihr allgemeines Merkmal identifizieren [sic] werden kann.” 325

In diesem Sinne, Kaufmann redet sogar über einer [sic] „Vergeistigung“ des Gewaltbegriffs, wonach es nicht auf die Betätigungsweise des Gewalttäters, sonder [sic] auf die Wirkung auf das Opfer ankommen soll, die in der Tat weitere Kreise gezogen hat.326 Dennoch, die Entgrenzung des Gewaltbegriffs zeigt sich in einer zunehmenden Sensibilisierung für Gewaltphänomene, was sich [eigentlich in einer weiter [sic] Ausdifferenzierung und Ausdehnung des Gewaltbegriffs manifestiert.]


324 WIMMER et al., 1996, S. 7.

325 WIMMER et al., 1996, S. 7-8.

326 KAUFMANN 1986, S. 88 ff.

Doch kaum versucht man, das Problem der Gewalt allgemein zu definieren, verliert sich die Klarheit des Gewaltbegriffs, und er zerfällt in sehr unterschiedliche und sich z.T. widersprechende Bestimmungen und Theorien. Dabei kommt ein Dilemma zum Vorschein, das dem Diskurs über Gewalt eigentümlich zu sein scheint und in nicht unerheblichem Maß für die Schwierigkeiten verantwortlich ist, in die sich eine Rede über Gewalt leicht verstrickt: Das Problem der Gewalt erscheint sowohl als ein universelles als auch als ein negatives. Der Gewaltbegriff setzt seiner kritischen Bestimmung durch Ein- und Abgrenzung Widerstand entgegen, weil alle Begriffe, die sich zunächst als Gegensatz zur Gewalt anbieten (z.B. Vernunft, Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit etc.), mit dem Problem der Gewalt verstrickt sind, so daß als Opposition nur die negative Bestimmung der Gewaltlosigkeit bleibt, deren Fassung ebenso große Probleme bereitet. Zugleich wird Gewalt als etwas Negatives und Anormales bewertet, etwas, das vermieden, verhindert, aufgehoben werden muß und kann. Weil es kaum noch einen Lebensbereich gibt, in dem das Gewaltproblem nicht vorkommt, und weil sich gewaltfreie Zonen und Verhältnisse gar nicht mehr zweifelsfrei identifizieren lassen, ist man kaum noch in der Lage zu definieren, was Gewalt ihrem Wesen nach ist bzw. was in den verschiedenen konkreten Situationen als ihr allgemeines Merkmal identifiziert werden kann. Diese

[Seite 8]

Entgrenzung des Gewaltbegriffs zeigt sich in einer zunehmenden Sensibilisierung für Gewaltphänomene und manifestiert sich in einer weiten Ausdifferenzierung und Ausdehnung des Gewaltbegriffs.

Anmerkungen

Der Verfasser zeigt mit einem langen Zitat, dass ihm sehr wohl bewusst ist, dass wörtliche Übernahmen gekennzeichnet werden müssen (Fn. 325). Bemerkenswerter- wie bezeichnenderweise finden sich aber auch in diesem Direktzitat kosmetische Umformulierungen ("usw." statt "etc.").

Abgesehen davon wird der Leser trotz zweimaliger Nennung der Quelle (Fn. 324 und 325) im Unklaren darüber gelassen, dass sowohl der Text vor als auch der nach dem Zitat fast wörtlich weiter aus der Quelle übernommen ist.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[5.] Gjb/Fragment 164 23 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-09 16:59:39 Guckar
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 164, Zeilen: 23-27
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 35, Zeilen: 20-24
3. Gewalt als Mittel sozialen Handelns?

Wird Gewalt lediglich als ein Mittel zur Erreichung von Zwecken angesehen, kann sie gar nicht mehr angemessen problematisiert werden, da gewalttätige Handlungen dann nur noch danach beurteilt werden können, ob sie dem Zweck gemäß sind oder [nicht.]

Gewalt als Mittel sozialen Handelns?

Wird Gewalt lediglich als ein Mittel zur Erreichung von Zwecken angesehen, kann sie gar nicht mehr angemessen problematisiert werden, da gewalttätige Handlungen dann nur noch danach beurteilt werden können, ob sie dem Zweck gemäß sind oder nicht.

Anmerkungen

Ein Hinweis auf die Quelle folgt zwar auf der Folgeseite in Fn. 393, doch bleibt die - wörtliche - Übernahme ungekennzeichnet.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[6.] Gjb/Fragment 165 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-09 17:04:01 Guckar
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 165, Zeilen: 1-18
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 35, 36, Zeilen: 35: 20-27; 36: 4-24
[Wird Gewalt lediglich als ein Mittel zur Erreichung von Zwecken angesehen, kann sie gar nicht mehr angemessen problematisiert werden, da gewalttätige Handlungen dann nur noch danach beurteilt werden können, ob sie dem Zweck gemäß sind oder] nicht. Was bleibt, ist nur ein technisch-instrumentelles Problem, ob nämlich das Nur-Mittel Gewalt geeignet ist, das Telos zu realisieren, oder ob es geeignetere Mittel gibt.391

Gewalttätiges Handeln geht auf die Vernichtung des Anderen, oder grundsätzlicher formuliert: Die Nichtanerkennung des Anderen als Anderer ist der Anfang aller Gewalt392. Das heißt noch nicht, dass die wechselseitige Annerkennung [sic] als utopischer Horizont einer Versöhnung von Ich und Anderem, mithin von Individuum und Gesellschaft393 auch automatisch Ihr [sic] Ende wäre, und zwar nicht nur deshalb, weil die radikale Anderseits [sic] des Anderen bestehen bleibt und jeder Versuch, diese Differenz in einer Identität aufzuheben gewalttätige Züge trägt, sondern auch deshalb, weil der Staat als Sphäre der Vermittlung, das Gesetz und das Recht als Garanten, Medien und Manifestationen der wechselseitigen Anerkennung keineswegs das Jenseits der Gewalt bedeuten, wie nicht erst ein Blick in die Geschichte des Gewaltbegriffs zeigt, sondern schon Begriffe wie „gesetzgebende Gewalt“, „geistliche Gewalt“. „Staatsgewalt“ von selbst offenbaren.

Laut Wimmer, Gewalt in Opposition zum Recht zu setzen, wie es in der gegenwärtigen Diskussion oft geschieht, ist danach keineswegs selbstverständlich, sondern reduktionistisch und führt nur allzu schnell dazu, das Problem zu entpolitisieren, Gewalttätigkeit als Problem der [Persönlichkeit oder der Gruppendynamik zu psychologisieren oder bei allgemeinen Phänomenologien stehenzubleiben. 394]


392 Vgl. E. LÉVINAS, Die Spur des Anderen. Siehe Anm Nr. 81, WIMMER et al., 1996, S. 36.

393 G.W.F. HEGEL, „Phänomenologie des Geistes“, Theorie Werkausgabe Bd. 3, hrsg. Von E. MOLDENHAUER und K.E. MICHEL, Frankfurt am Main, 1970, S. 137-155; G.W.F. HEGEL, „Grundlinien der Philosophie des Rechts“, Theorie Werkausgabe, Bd. 7, Frankfurt am Main, 1970, §§ 142-320. Siehe Anmm Nr. 82, WIMMER et al., 1996, S. 36.

Wird Gewalt lediglich als ein Mittel zur Erreichung von Zwecken angesehen, kann sie gar nicht mehr angemessen problematisiert werden, da gewalttätige Handlungen dann nur noch danach beurteilt werden können, ob sie dem Zweck gemäß sind oder nicht. Was bleibt, ist nur ein technisch-instrumentelles Problem, ob nämlich das Nur-Mittel Gewalt geeignet ist, das Telos zu realisieren, oder ob es geeignetere Mittel gibt.80 [...]

[Seite 36]

Gewalttätiges Handeln geht auf die Vernichtung des Anderen, oder grundsätzlicher formuliert: Die Nichtanerkennung des Anderen als Anderer ist der Anfang aller Gewalt.81 Das heißt noch nicht, daß die wechselseitige Anerkennung als utopischer Horizont einer Versöhnung von Ich und Anderem, mithin von Individuum und Gesellschaft82 auch automatisch ihr Ende wäre, und zwar nicht nur deshalb, weil die radikale Andersheit des Anderen bestehen bleibt und jeder Versuch, diese Differenz in einer Identität aufzuheben, gewalttätige Züge trägt,83 sondern auch deshalb, weil der Staat als Sphäre der Vermittlung, das Gesetz und das Recht als Garanten, Medien und Manifestationen der wechselseitigen Anerkennung keineswegs das Jenseits der Gewalt bedeuten, wie nicht erst ein Blick in die Geschichte des Gewaltbegriffs zeigt, sondern schon Begriffe wie »gesetzgebende Gewalt«, »geistliche Gewalt«, »Staatsgewalt« von selbst offenbaren.

Gewalt in Opposition zum Recht zu setzen, wie es in der gegenwärtigen Diskussion oft geschieht, ist danach keineswegs selbstverständlich, sondern reduktionistisch und führt nur allzu schnell dazu, das Problem zu entpolitisieren, Gewalttätigkeit als Problem der Persönlichkeit oder der Gruppendynamik zu psychologisieren oder bei allgemeinen Phänomenologien stehenzubleiben.


80 O. Rammstedt, »Gewalt und Hierarchie«, in: ders. (Hg.), Gewaltverhältnisse und die Ohnmacht der Kritik, Frankfurt am Main 1974, S. 132 f.

81 Vgl. E. Lévinas, Die Spur des Anderen.

82 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Theorie Werkausgabe Bd. 3, hrsg. von E. Moldenhauer und K. M. Michel, Frankfurt am Main 1970, S. 137-155 ; G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Theorie Werkausgabe Bd. 7, Frankfurt am Main 1970, §§ 142-320.

83 K.-M. Wimmer, Der Andere und die Sprache, Berlin 1988.

Anmerkungen

Art und Umfang der Übernahme bleiben ungekennzeichnet.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[7.] Gjb/Fragment 166 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-09 17:05:56 Guckar
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 166, Zeilen: 1-26 (komplett)
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 36, 37, Zeilen: 36: 19-27, 34-36; 37: 1-22
[Laut Wimmer, Gewalt in Opposition zum Recht zu setzen, wie es in der gegenwärtigen Diskussion oft geschieht, ist danach keineswegs selbstverständlich, sondern reduktionistisch und führt nur allzu schnell dazu, das Problem zu entpolitisieren, Gewalttätigkeit als Problem der] Persönlichkeit oder der Gruppendynamik zu psychologisieren oder bei allgemeinen Phänomenologien stehenzubleiben. 394 Dabei findet meistens nur die Aussage, Unzufriedenheit erhöhe die Anfälligkeit für Gewalthandlungen, ihre Bestätigung und soll zugleich als Erklärung dienen. Diese Erklärungsversuche tragen wenig zur Aufklärung dessen bei, was unter Gewalt zu verstehen ist. Zwar erfährt der Gewaltbegriff eine weitgehende Differenzierung in physische und psychische, negative und positive, objektlose und objektbezogene, personale und

strukturelle, intentionale und nichtintentionale, manifeste und latente Gewalt395, wobei vor allem im Begriff der strukturellen Gewalt die Reduktion auf beobachtbare physische Gewaltakte relativiert und die allgemeinen Bedingungen ins Blickfeld geraten, die den Boden aktueller Gewaltausbrüche bereiten. Doch die Verlängerung der Ursachen ins Feld vorindividueller Bedingungen führt zu einer Ausweitung des Gewaltbegriffs, die ihn so diffus werden lässt, dass man Merleau-Ponty zitieren könnte:

„Gewalt ist die allen Regimen gemeinsame Ausganssituation [sic]. Leben, Diskussion und politische Entscheidung vollziehen sich einzig auf diesem Hintergrund. Was zählt und worüber man diskutieren muss, ist nicht die Gewalt, sondern ihr Sinn oder ihre Zukunft“.396

Wird jedoch weiterhin an einer Kritik der Gewalt als eines Unrechts und als einer Ungerechtigkeit oder auch nur eines Übels festgehalten, dann kann sie ihre negative Bewertung „allgemein“ nur aus einer Entgegensetzung zu einer Utopie 397 einer gewaltfreien Gesellschaft gewinnen, aus einer Entgegensetzung zu den Ansprüchen [und Rechten, die in der Verfassung oder in den Menschenrechten artikuliert sind.]


394 WIMMER et al., 1996, S. 36 ff.

395 GALTUNG 1971, S. 59 ff.

396 MERLEAU-PONTY, 1966, S. 153.

397 Siehe JOAS 2000. „„Konkret“ kann Gewalt jedoch nur im historischen Kontext einer gesellschaftlich-politischen Situation als Gewalt qualifiziert, beurteilt und bewertet werden”. In: WIMMER et al., 1996, S. 37.

Gewalt in Opposition zum Recht zu setzen, wie es in der gegenwärtigen Diskussion oft geschieht, ist danach keineswegs selbstverständlich, sondern reduktionistisch und führt nur allzu schnell dazu, das Problem zu entpolitisieren, Gewalttätigkeit als Problem der Persönlichkeit oder der Gruppendynamik zu psychologisieren oder bei allgemeinen Phänomenologien stehenzubleiben. Dabei findet meistens nur die Aussage, Unzufriedenheit erhöhe die Anfälligkeit für Gewalthandlungen, ihre Bestätigung und soll zugleich als Erklärung dienen. [...]

Diese Erklärungsversuche tragen wenig zur Aufklärung dessen bei, was unter Gewalt zu verstehen ist. Zwar erfährt der Gewaltbegriff eine weitgehende Differenzierung in physische und psychi-

[Seite 37]

sche, negative und positive, objektlose und objektbezogene, personale und strukturelle, intentionale und nichtintentionale, manifeste und latente Gewalt,84 wobei vor allem im Begriff der strukturellen Gewalt die Reduktion auf beobachtbare physische Gewaltakte relativiert und die allgemeinen Bedingungen ins Blickfeld geraten, die den Boden aktueller Gewaltausbrüche bereiten. Doch die Verlagerung der Ursachen ins Feld vorindividueller Bedingungen führt zu einer Ausweitung des Gewaltbegriffs, die ihn so diffus werden läßt, daß man mit Maurice Merleau-Ponty schließen könnte: »Gewalt ist die allen Regimen gemeinsame Ausgangssituation. Leben, Diskussion und politische Entscheidung vollziehen sich einzig auf diesem Hintergrund. Was zählt und worüber man diskutieren muß, ist nicht die Gewalt, sondern ihr Sinn oder ihre Zukunft.«85 Wird jedoch weiterhin an einer Kritik der Gewalt als eines Unrechts und als einer Ungerechtigkeit oder auch nur eines Übels festgehalten, dann kann sie ihre negative Bewertung allgemein nur aus einer Entgegensetzung zu einer Utopie einer gewaltfreien Gesellschaft gewinnen, aus einer Entgegensetzung zu den Ansprüchen und Rechten, die in der Verfassung oder in den Menschenrechten artikuliert sind. Konkret kann Gewalt jedoch nur im historischen Kontext einer gesellschaftlich-politischen Situation als Gewalt qualifiziert, beurteilt und bewertet werden.


84 J. Galtung, »Gewalt, Frieden und Friedensforschung«, in: D. Senghaas (Hg.), Kritische Friedensforschung, Frankfurt am Main 1971, S. 59 ff.

85 M. Merleau-Ponty, Humanismus und Terror, Frankfurt am Main 1966, S. 153.

Anmerkungen

Art und Umfang der Übernahme bleiben (mit Ausnahme des Zitats in Fn. 397) ungekennzeichnet.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[8.] Gjb/Fragment 172 12 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-06 16:42:15 Graf Isolan
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 172, Zeilen: 12-16
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 33, Zeilen: 14-18
1. Gibt es nur Gewalt gegen Gewalt?

Die Vorstellung, Gewalttätigkeiten zwischen den Menschen, Klassen, Völkern und Staaten kontrollieren, eingrenzen oder gar beseitigen zu können, ist ein fester Bestandteil aller Sozialutopien und Gesellschaftsentwürfe seit der Renaissance. Wimmer zufolge:

[...]

Gibt es nur Gewalt gegen Gewalt?

Die Vorstellung, Gewalttätigkeiten zwischen den Menschen, Klassen, Völkern und Staaten kontrollieren, eingrenzen oder gar beseitigen zu können, ist ein fester Bestandteil aller Sozialutopien und Gesellschaftsentwürfe seit der Renaissance, seien sie literarischer oder philosophischer Herkunft.

Anmerkungen

Kein Hinweis auf die Quelle folgt dem Text, dann folgt ein wörtliches Zitat.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[9.] Gjb/Fragment 173 22 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-09 22:01:37 Graf Isolan
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 173, Zeilen: 22-27
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 34, Zeilen: 32-36
Der Kampf gegen Gewalttätigkeiten ist, so scheint es, weit schwieriger und weit mehr als nur ein Kampf gegen ein verwerfliches Mittel der politischen oder zwischenmenschlichen Auseinandersetzung, gegen ein unerwünschtes Verhalten oder gegen eine illegitime Form menschlichen Ausdrucks. Der Kampf gegen Gewalttätigkeiten ist, so scheint es, weit schwieriger und weit mehr als nur ein Kampf gegen ein verwerfliches Mittel der politischen oder zwischenmenschlichen Auseinandersetzung, gegen ein unerwünschtes Verhalten oder gegen eine illegitime Form menschlichen Ausdrucks.
Anmerkungen

Die Quelle ist zwar in zwei Fn. genannt, doch gibt es keinen Hinweis, dass auch dieser Satz daraus stammt und wörtlich übernommen wurde.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[10.] Gjb/Fragment 174 16 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-09 17:07:14 Guckar
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 174, Zeilen: 16-25
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 35, 39, Zeilen: 35: 13-19; 39: 1-7
Diese Fragen, die z.B. Walter Benjamin418 stellt und die von Jacques Derrida419 jüngst wieder aufgenommen werden, zeigen jedoch, dass ein Verständnis von Gewalt welches ihr bloß den Status eines Mittels zuschreibt oder sie als Gegensatz zum Recht auffasst, nicht nur zu kurz greift, sondern das Problem der Gewalt grundsätzlich verkennt.

2. Recht als Gegensatz zur Gewalt?

Dieser Prozess der Gewaltmonopolisierung kann jedoch dem einzelnen nicht die Möglichkeit nehmen, Gewalt anzuwenden, sondern ihm bloß in zunehmendem Masse das Recht dazu absprechen. Es ist ein Prozess der zunehmenden Verrechtlichung der gesellschaftlichen [Sphären, der einhergeht mit der Normierung und der Normalisierung der Individuen und ihrer Verhaltensweisen. 420]


418 BENJAMIN 1980.

419 DERRIDA 1991, HAVERKAMP, 1994.

[420 FOUCAULT: Überwachen und Strafen (Siehe Anm. Nr. 92 in WIMMER et al., 1996, S. 39).]

[Seite 35]

Diese Fragen, die z.B. Walter Benjamin in seiner Schrift »Zur Kritik der Gewalt«78 stellt und die von Jacques Derrida jüngst wieder aufgenommen werden,79 können hier nicht angemessen diskutiert werden. Sie zeigen jedoch, daß ein Verständnis von Gewalt, welches ihr bloß den Status eines Mittels zuschreibt oder sie als Gegensatz zum Recht auffaßt, nicht nur zu kurz greift, sondern das Problem der Gewalt grundsätzlich verkennt.

[Seite 39]

Recht als Gegensatz zur Gewalt?

Dieser Prozeß der Gewaltmonopolisierung kann jedoch dem einzelnen nicht die Möglichkeit nehmen, Gewalt anzuwenden, sondern ihm bloß in zunehmendem Maße das Recht dazu absprechen. Es ist m.a.W. ein Prozeß der zunehmenden Verrechtlichung der gesellschaftlichen Sphären, der einhergeht mit der Normierung und der Normalisierung der Individuen und ihrer Verhaltensweisen.92


78 W. Benjamin, Zur Kritik der Gewalt, in: Gesammelte Schriften, Bd. II/1, hrsg. von R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Frankfurt am Main 1980, S. 179-203.

79 J. Derrida, Gesetzeskraft. Der »mystische Grund der Autorität«, Frankfurt am Main 1991; A. Haverkamp (Hg.), Gewalt und Gerechtigkeit. Derrida - Benjamin, Frankfurt am Main 1994.

92 M. Foucault, Überwachen und Strafen.

Anmerkungen

Art und Umfang der Übernahme bleiben ungekennzeichnet.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[11.] Gjb/Fragment 175 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-09 22:03:09 Graf Isolan
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wimmer et al 1996

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 175, Zeilen: 1-17
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 39, Zeilen: 39: 4-7, 16-36 ; 40: 1-5
[Es ist ein Prozess der zunehmenden Verrechtlichung der gesellschaftlichen] Sphären, der einhergeht mit der Normierung und der Normalisierung der Individuen und ihrer Verhaltensweisen. 420

Gewalt und Recht sind so wenig Gegensatzbegriffe, dass das lateinische „ius“ da, wo es sich um Verfügungsrechte handelte, mit „Gewalt“ wiedergegeben wurde. Durch die Konfrontation mit der römisch-rechtlichen Terminologie, die mit der germanischen kaum harmonierte, entwickelte sich zudem ein uneindeutiges semantisches Potential im Begriff „Gewalt“, das mit denen von „Kraft“ und „Macht“ konkurrierte. Entgegen dem Französischen oder dem Englischen, die mit „force“ und „violence“ zwei verschiedene Wörter für die unterschiedlichen Bedeutungen haben, enthält der deutsche Gewaltbegriff beide Bedeutungshorizonte. Diese Ambivalenz von „potestas“ und „violentia“ bestimmt bis heute seine Geschichte und ist Teil des Problems, zwischen Recht und Gewalt zu unterscheiden.421

Bezogen auf die Anwendbarkeit des Rechts formuliert Derrida das Problem pointiert. Die Anwendung der Gesetze impliziert eine Gewalt, die laut Derrida:

"die uns von inner [sic] her erinnert, dass das Recht stets eine Gewalt ist, der man stattgegeben die man autorisiert hat, eine gutgeheißene, gerechtfertigte Gewalt, eine Gewalt, die sich durch ihre Anwendung rechtfertigt oder sich rechtfertigen wird, selbst wenn diese Rechtfertigung ihrerseits ungerecht ist oder sich nicht rechtfertigen lässt. Die Anwendbarkeit, die „enforceability“ ist keine äußerliche oder sekundäre Möglichkeit, die zusätzlich, als Supplement zu den [sic] Recht hinzukommen mag. Sie ist die Gewalt, die wesentlich in dem Begriff der „Gerechtigkeit als Recht“ einbegriffen ist <…> Wie soll man zwischen dieser Gewalt, dieser Kraft (force) des Gesetzes, dieser „Gesetzeskraft“ <…> und einer Gewalt(tätigkeit) („violence“), die man immer für ungerecht [hält, unterscheiden?]


420 FOUCAULT: Überwachen und Strafen (Siehe Anm. Nr. 92 in WIMMER et al., 1996, S. 39).

421 Dazu IMBUSCH, 2003.

[Seite 39]

Es ist m.a.W. ein Prozeß der zunehmenden Verrechtlichung der gesellschaftlichen Sphären, der einhergeht mit der Normierung und der Normalisierung der Individuen und ihrer Verhaltensweisen.92 [...]

Gewalt und Recht sind so wenig Gegensatzbegriffe, daß das lat. »ius« da, wo es sich um Verfügungsrechte handelte, mit »Gewalt« wiedergegeben wurde. Durch die Konfrontation mit der römisch-rechtlichen Terminologie, die mit der germanischen kaum harmonierte, entwickelte sich zudem ein uneindeutiges semantisches Potential im Begriff »Gewalt«, das mit denen von »Kraft« und »Macht« konkurrierte. Entgegen dem Französischen oder dem Englischen, die mit »force« und »violence« zwei verschiedene Wörter für die unterschiedlichen Bedeutungen haben, enthält der deutsche Gewaltbegriff beide Bedeutungshorizonte. Diese Ambivalenz von potestas und violentia bestimmt bis heute seine Geschichte und ist Teil des Problems, zwischen Recht und Gewalt zu unterscheiden.

Bezogen auf die Anwendbarkeit des Rechts formuliert Derrida das Problem pointiert. Die Anwendung der Gesetze impliziert immer eine Gewalt, »die uns von innen her daran erinnert, daß das Recht stets eine Gewalt ist, der man stattgegeben, die man autorisiert hat, eine gutgeheißene, gerechtfertigte Gewalt, eine Gewalt, die sich durch ihre Anwendung rechtfertigt oder sich rechtfertigen wird, selbst wenn diese Rechtfertigung ihrerseits ungerecht ist oder sich nicht rechtfertigen läßt. Die Anwendbarkeit, die >enforceability< ist keine äußerliche oder sekundäre Möglichkeit, die zusätzlich, als

[Seite 40]

Supplement zu dem Recht hinzukommen mag. Sie ist die Gewalt, die wesentlich in dem Begriff der Gerechtigkeit als Recht einbegriffen ist [...] Wie soll man zwischen dieser Gewalt, dieser Kraft [force] des Gesetzes, dieser >Gesetzeskraft< [...] und einer Gewalttätigkeit) [violence], die man immer für ungerecht hält, unterscheiden?


92 M. Foucault, Überwachen und Strafen.

Anmerkungen

Art und Umfang der Übernahme bleiben ungekennzeichnet.

Das ebenfalls (und ohne korrekten "zitiert nach"-Vermerk) aus der Quelle stammende Derrida-Sekundärzitat wird nicht in die Zeilenzählung aufgenommen.

Sichter
(SleepyHollow02) Schumann


[12.] Gjb/Fragment 176 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-06 18:57:28 SleepyHollow02
Fragment, Gjb, KeineWertung, SMWFragment, Schutzlevel, Wimmer et al 1996, ZuSichten

Typus
KeineWertung
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
No
Untersuchte Arbeit:
Seite: 176, Zeilen: 1-9
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 0, Zeilen: 0
[Wie soll man zwischen dieser Gewalt, dieser Kraft (force) des Gesetzes, dieser „Gesetzeskraft“ <…> und einer Gewalt(tätigkeit) („violence“), die man immer für ungerecht] hält, unterscheiden? Welcher Unterschied besteht zwischen einer Gewalt, die gerecht und angemessen sein kann, von der sich auf jeden Fall behaupten lässt, sie sei legitim, einer Gewalt, die nicht einfach ein Instrument im Dienste des Rechts ist, sondern die vielmehr dessen Erfüllung, dessen Wesen darstellt, jenes, wodurch es sich geltend macht – und einer Gewalt(tätigkeit) („violence“), die man immer für ungerecht hält? Was ist eine gerechte Gewalt, eine Gewalt die nicht gewalttätig ist?“422

422 DERRIDA 1991 , S. 12 ff.

Wie soll man zwischen dieser Gewalt, dieser Kraft [force] des Gesetzes, dieser >Gesetzeskraft< [...] und einer Gewalttätigkeit) [violence], die man immer für ungerecht hält, unterscheiden? Welcher Unterschied besteht zwischen einer Gewalt, die gerecht und angemessen sein kann, von der sich auf jeden Fall behaupten läßt, sie sei legitim, einer Gewalt, die nicht einfach ein Instrument im Dienste des Rechts ist, sondern die vielmehr dessen Erfüllung, dessen Wesen darstellt, jenes, wodurch es sich geltend macht - und einer Gewalt(tätigkeit) [violence], die man immer für ungerecht hält? Was ist eine gerechte Gewalt, eine Gewalt, die nicht gewalttätig ist?«94

94 J. Derrida, Gesetzeskraft,S. 12 f.

Anmerkungen

keine Wertung, weil wörtliches Zitat.

Sichter
(SleepyHollow02)


[13.] Gjb/Fragment 179 10 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-10-07 21:30:23 Graf Isolan
Fragment, Gesichtet, Gjb, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Verschleierung, Wimmer et al 1996

Typus
Verschleierung
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 179, Zeilen: 10-22
Quelle: Wimmer et al 1996
Seite(n): 37, 38, Zeilen: 37:30-34 ; 38: 1-8
5. Abnahme oder Zunahme der Gewalt?

[...] Dieser Kontext ist nicht nur in den Diskursen über Gewalt jeweils verschiedenen konstruiert, sondern wandelt sich auch historisch. So ist unser heutiges Verständnis von Gewalt ein anderes als das früherer Zeiten und anderer Gesellschaften. Erinnert sich nur an die Analysen Max Webers, Walter Benjamins und Norbert Elias’, denen zufolge sich im Prozess der Zivilisation der moderne Staat als Gewaltmonopol konstituiere430, dem einzelnen im Kapitalismus die Gewalt immer mehr entzogen werde, 431 so dass sicheine allgemeine Tendenz zur Abnahme von Gewaltanwendungen konstatieren lasse. 432 Beschreibt Benjamin diesen Prozess als zunehmende Ersetzung von Gewaltzwecken durch Rechtszwecke, so Weber als Monopolisierung der legitimen Gewaltausübung im Staatsverband.


430 ELIAS, 1988.

431 BENJAMIN, 1980.

432 Siehe Anm. Nr. 90 in WIMMER et al., 1996, S. 38.

Abnahme oder Zunahme der Gewalt?

Dieser Kontext ist nicht nur in den Diskursen über Gewalt jeweils verschieden konstruiert, sondern wandelt sich auch historisch. So ist unser heutiges Verständnis von Gewalt ein anderes als das früherer Zeiten und anderer Gesellschaften. Erinnert sei nur an die Analysen Max Webers, Friedrich Wiesers, Walter Benjamins und Norbert

[Seite 38]

Elias', denen zufolge sich im Prozeß der Zivilisation der moderne Staat als Gewaltmonopol konstituiere,88 dem einzelnen im Kapitalismus die Gewalt immer mehr entzogen werde,89 so daß sich eine allgemeine Tendenz zur Abnahme von Gewaltanwendungen konstatieren lasse.90 Beschreibt Benjamin diesen Prozeß als zunehmende Ersetzung von Gewaltzwecken durch Rechtszwecke, so Weber als Monopolisierung der legitimen Gewaltausübung im Staatsverband.91


88 N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation.

89 W. Benjamin, Zur Kritik der Gewalt.

90 F. Wieser, Das Gesetz der Macht, Wien 1926.

91 M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 1976.

Anmerkungen

Die Quelle ist zwar in Fn. 432 erwähnt, Art und Umfang der Übernahme bleiben jedoch ungekennzeichnet.

Sichter
Schumann