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Angaben zur Quelle [Bearbeiten]

Autor     Armin A. Steinkamm
Titel    Völkerrecht, Humanitäre Intervention und Legitimation des Bundeswehr-Einsatzes; Völker- und wehrrechtliche Aspekte des Kosovo-Konfliktes 1999
Sammlung    Der Kosovo Konflikt Ursachen - Verlauf - Perspektiven
Herausgeber    Jens Reuter, Konrad Clewing
Ort    Klagenfurt, Wien, Ljubiljana, Tuzla, Sarajevo
Verlag    Wieser Verlag
Jahr    2000
Seiten    335-364
ISBN    385 1293290

Literaturverz.   

ja
Fußnoten    ja
Fragmente    6


Fragmente der Quelle:
[1.] Jkr/Fragment 144 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-03-27 19:27:13 Guckar
Fragment, Gesichtet, Jkr, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Steinkamm 2000, Verschleierung

Typus
Verschleierung
Bearbeiter
Hindemith
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 144, Zeilen: 1-19, 101-118
Quelle: Steinkamm 2000
Seite(n): 344-347, Zeilen: 344: 20-25; 345: 1-3, 346: 1-3, 7-18, 25-36; 347: 1ff, 27-28
[Die Staaten haben] nach weit verbreiteter Ansicht die Pflicht, die Verwirklichung dieser Fundamentalnormen sicherzustellen.303 In besonderer Weise gilt das für die UN, die sich in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen die Verwirklichung der Menschenrechte zum Ziel gesetzt hat.304 Auch die Staatenpraxis betrachtet Völkermord und Vertreibung einer ganzen Volksgruppe nicht länger als innere Angelegenheit eines Staates.305 Die Auffassung, dass die Menschenrechtssituation in den Staaten nicht mehr ausschließlich zu deren inneren Angelegenheit zählt ist auch in der Helsinki-Schlussakte der KSZE 1975 anerkannt worden. 1994 schließlich hat das Europäische Parlament die Staaten der EU ausdrücklich dazu aufgerufen, an dem rechtsbildenden Prozess zur Anerkennung eines Rechts auf humanitäre Intervention mitzuwirken.306 Es wird festgestellt, „dass der Schutz der Menschenrechte humanitäre Interventionen mit oder ohne Einsatz militärischer Gewalt rechtfertigen kann, wenn alle anderen Mittel versagt haben.“

Diese Auffassung teilten neben den NATO-Staaten auch eine Mehrheit der Mitglieder des SR, die in dieser Konsequenz einen Antrag zur Verurteilung der NATO-Luftangriffe abgelehnt haben. Festzustellen ist außerdem, dass die NATO alle Kriterien erfüllt hat, die das Europäische Parlament für eine humanitäre Intervention vorgegeben hat.307 Die NATO-Luftangriffe wurden also von der EU unterstützt und von den UN nicht verurteilt.


303 Pape, Humanitäre Intervention, a.a.O. (Anm. 301), S. 77, dort ist ausgeführt, dass „jedenfalls diesem menschenrechtlichen Mindeststandard grundsätzlich universale Gültigkeit zu bescheinigen ist, wenn er auch massiven Anfeindungen ausgesetzt ist“.

304 August Pradetto, Die NATO, humanitäre Intervention und Völkerrecht, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 11/99, S. 32 ff.

305 Pape, Humanitäre Intervention, a.a.O. (Anm. 301), S. 257 ff.

306 Entschließung zum Recht au f Intervention aus humanitären Gründen, Amtsblatt C 128 vom 09. 05. 1994, S. 225: „In der Erwägung, dass eine politische Standortbestimmung bezüglich der Zulässigkeit humanitärer Interventionen notwendig ist, vertritt das Parlament die Auffassung, dass das derzeit geltende Völkerrecht der Anerkennung des Rechts auf humanitäre Interventionen nicht im Wege stehen muss und weist daraufhin, dass das Völkerrecht wesentlich von der praktischen Politik der Staaten geprägt ist.“

307 Diese wichtigsten Kriterien sind: Alle anderen Lösungsversuche müssen ausgeschöpft und erfolglos geblieben sein. Die UN-lnstitutionen sind aufgrund der Blockade des SR nicht handlungsunfähig. Es muss sich um eine außerordentliche Notsituation handeln. Die Interventionsmacht darf kein besonderes Eigeninteresse haben und es muss eine angemessene und zeitlich begrenzte Anwendung von Gewalt festgelegt werden. Schließlich darf die Intervention keine Bedrohung des internationalen Friedens darstellen.

[Seite 344, Zeilen 20-25]

Alle Staaten haben nicht nur das Recht, sondern nach weit verbreiteter Ansicht auch die Pflicht, die Verwirklichung dieser Fundamentalnormen (gegebenenfalls auch durch Dritte) sicherzustellen.38 Das gilt in besonderem Maße auch für die VN als Organisation dieser Staaten, die sich in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen die Verwirklichung der Menschenrechte zum Ziel gesetzt hat.

[Seite 345, Zeilen 1-3]

Auch die Staatenpraxis betrachtet nach Ende des Zweiten Weltkrieges Völkermord und Vertreibung einer ganzen Volksgruppe nicht länger als innere Angelegenheit eines einzelnen Staates.40

[Seite 346, Zeilen 1-3]

Die Auffassung, dass die Situation der Menschenrechte in den Staaten nicht mehr ausschließlich zu deren inneren Angelegenheiten zählt, ist auch in der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 anerkannt.

[Seite 346, Zeilen 7-18]

Am 20. 4. 1994 hat sogar das Europäische Parlament die Staaten der Europäischen Union ausdrücklich aufgerufen, an dem rechtsbildenden Prozess zur Anerkennung eines Rechts auf humanitäre Intervention aktiv mitzuwirken.47 „In der Erwägung, dass eine politische Standortbestimmung bezüglich der Zulässigkeit humanitärer Interventionen notwendig ist“, vertritt das Parlament die Auffassung, „dass das derzeit geltende Völkerrecht der Anerkennung des Rechts auf humanitäre Intervention nicht im Wege stehen muss“, und erinnert daran, „dass das Völkerrecht wesentlich von der praktischen Politik der Staaten geprägt ist“! Es folgt die Feststellung, „dass der Schutz der Menschenrechte humanitäre Interventionen mit oder ohne Einsatz militärischer Gewalt rechtfertigen kann, wenn alle anderen Mittel versagt haben“ [...]

[Seite 346, Zeilen 25-36]

a) So haben es die NATO-Staaten gesehen, so hat es offenbar auch die große Mehrheit der Mitglieder des SR gesehen, die den Antrag zur Verurteilung der NATO-Luftoperation abgelehnt hat. Und die NATO hat auch alle (!) Kriterien erfüllt, die das Europäische Parlament für eine humanitäre Intervention beachtet wissen will48

- Es muss sich um eine außerordentliche und äußerst ernsthafte humanitäre Notsituation in einem Staat handeln, dessen Machthaber auf andere Weise als mit militärischen Mitteln nicht zur Vernunft zu bringen sind (Belgrad war nicht bereit, Völkermord und Vertreibung zu beenden);

- es muss feststehen, dass der UN-Apparat nicht in der Lage ist, rechtzeitig wirksam zu reagieren [...]

- alle anderen Lösungsversuche, soweit sie möglich und vernünftig sind, müs-

[Seite 347, Zeile 1ff]

sen ausgeschöpft und erfolglos geblieben sein [...]

- die Interventionsmacht darf kein besonderes Eigeninteresse an der Situation besitzen, so dass der Schutz der Menschenrechte das Hauptziel ist [...]

- es muss eine angemessene und zeitlich begrenzte Anwendung von Gewalt festgelegt werden [...]

- die Intervention darf keine Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit [...] darstellen [...]

b) Die NATO-Luftoperation wurde von der EU unterstützt und von den VN nicht verurteilt.


38 Pape, S. 77, im Ergebnis der umfangreichen Untersuchungen mit weiteren Nachweisen. Zentral ist die Feststellung, dass „jedenfalls diesem menschenrechtlichen Mindeststandard grundsätzlich universale Gültigkeit zu bescheinigen ist, wenn er auch massiven Anfeindungen ausgesetzt ist“.

40 Vgl. hier und im folgenden auch die Information des BMVg, wie Anm. 5; zu den VN-Einsätzen vgl. Pape, S. 257 ff, S. 302 ff.; Achermann, S. 230 ff.

47 Entschließung zum Recht auf Intervention aus humanitären Gründen, Amtsblatt Nr. C 128 vom 9.5.1994, S. 225.

48 Der Katalog der Kriterien ist hier nicht vollständig wiedergegeben, aber auch die übrigen Voraussetzungen waren seitens der NATO erfüllt.

Anmerkungen

Ein Quellenverweis fehlt.

Sichter
(Hindemith), Guckar


[2.] Jkr/Fragment 146 06 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-03-28 10:24:18 Hindemith
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Jkr, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Steinkamm 2000

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
Hindemith
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 146, Zeilen: 6-31
Quelle: Steinkamm 2000
Seite(n): 348, 349, Zeilen: 348:17ff, 349: 1ff
Die Reaktionen der Staatengemeinschaft machten deutlich, dass die humanitäre Intervention der NATO weitestgehend als mit dem Völkerrecht vereinbar betrachtet wird.309

Diese Einschätzung wurde auch vom deutschen Verteidigungsminister Scharping geteilt. Sein Ministerium lehnte es ab, allein deshalb von dieser Auffassung abzurücken, weil die Rechtmäßigkeit und der Grad der völkergewohnheitsrechtlichen Verfestigung des Rechts zur humanitären Intervention unter Völkerrechtlern umstritten sind.310 Diesen „Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen“ kommt nach Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs keine entscheidende Bedeutung zu, vielmehr werden sie lediglich als „Hilfsmittel zur Festlegung der Rechtsnormen“ betrachtet. Die Luftschläge der NATO können im Ergebnis völkerrechtlich auf ein Recht der humanitären Intervention gestützt werden. Dieses Recht hat sich in den letzten Jahren auch gewohnheitsrechtlich so weit verfestigt, dass es im Hinblick auf den Kosovo-Konflikt unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände als völkerrechtliche Legitimation ausreicht. Der Völkerrechtlichtler [sic!] Armin Steinkamm bestätigte diese Auffassung, indem er feststellte: „Es wäre geradezu eine 'Bankrott-Erklärung' des von der Staatengemeinschaft entwickelten Völkerrechts, wollte man es einem Diktator und Kriegsverbrecher unter Berufung auf 'innere Angelegenheiten' und die Souveränität der BR Jugoslawien gestatten, seine eigenen Staatsbürger mit schwersten Menschenrechtsverletzungen zu überziehen, weil zwei Veto-berechtigte Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates ihren Pflichten nicht nachkommen oder ein Teil der Rechtswissenschaft der Auffassung ist, die humanitäre Intervention sei gewohnheitsrechtlich noch nicht ausreichend verfestigt und das Gewaltmonopol des Sicherheitsrates werde im vorliegenden Fall völkerrechtswidrig unterlaufen.“311


309 In den nach der begonnenen NATO-Aktion verabschiedeten UN-Resolutionen 1239 (1999) vom 14.5 1999 und 1244 (1999) vom 10. 06. 1999 kommt dies eindeutig zum Ausdruck.

310 Eine Vielzahl einflussreicher Autoren erkennt jedoch das Recht der NATO auf humanitäre Intervention an. Beispielsweise gilt nach Rupert Scholz in Focus, 12. 04. 1999, S. 30 das Recht zur humanitären Intervention „prinzipiell... kraft Gewohnheitsrechts“. Ulrich Beyerlein (Die Welt vom 27. 03. 1999) und Bruno Simma (SZ vom 27. 03.1999) halten die völkerrechtliche Rechtsgrundlage ftlr zweifelhaft, die Luftschläge jedoch für hinnehmbar. Simma bezeichnete sie als „lässliche Sünde“. Christian Tomuschat (Die Welt vom 14. 04. 1999) hält die humanitäre Intervention für legitim, genauso wie Mathias Herdegen (Die Welt vom 13. 04. 1999).

311 Steinkamm, Völkerrecht, a.a.O. (Anm. 288), S. 348-349

Insbesondere die Reaktionen der Staatengemeinschaft machen deutlich, dass die humanitäre Intervention der NATO weitest gehend als mit dem Völkerrecht vereinbar betrachtet wird.52

c) Das BMVg lehnt es in seiner o.a. Information mit Recht ab, von dieser Einschätzung etwa deswegen abzurücken, weil die Rechtmäßigkeit und der Grad der völkergewohnheitsrechtlichen Verfestigung des Rechts zur humanitären Intervention unter Völkerrechtlern umstritten sind.53 [...] Im übrigen kommt selbst den „Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen“ nach Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs keine entscheidende Bedeutung zu; sie werden lediglich „als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen“ betrachtet.

d) Nach alledem können die Luftoperationen der NATO in der BRJ im Ergebnis aus völkerrechtlicher Sicht auf ein Recht zur humanitären Intervention gestützt werden. Dieses ist in den letzten Jahren auch gewohnheitsrechtlich soweit verfestigt, dass es in Hinblick auf den „Fall Kosovo“ unter Berücksichtigung der aufgezeigten Umstände als völkerrechtliche Legitimation ausreicht. [...] Es wäre geradezu eine „Bankrott-Erklärung“ des von der Staatengemeinschaft entwickelten Völkerrechts zum Ausgang dieses Jahrhunderts, wollte man es einem Diktator und Kriegsverbrecher unter Berufung auf „innere Angelegenheiten“ und die Souveränität der BRJ gestatten, seine eigenen Staatsbürger mit Völkermord, ethnischen Säuberungen, Vertreibung und anderen schwersten Menschenrechtsverletzungen zu überziehen, weil

[Seite 349]

zwei Veto-berechtigte Mitgliedsstaaten des SR ihren Pflichten nicht nachkommen oder ein Teil der Rechtswissenschaft der Auffassung ist, die humanitäre Intervention sei gewohnheitsrechtlich noch nicht ausreichend verfestigt und das Gewaltmonopol des SR werde im vorliegenden Fall völkerrechtswidrig unterlaufen.


52 Beleg dafür sind letztlich die nach der NATO-Aktion verabschiedeten weiteren Resolutionen 1239 (1999) vom 14.5.1999 und 1244 (1999) vom 10.6.1999; zur letzteren s. hier im Anhang.

53 S. oben Anm. 5, mit der Ergänzung, dass immerhin einflussreiche Autoren das Recht der NATO auf humanitäre Intervention anerkennen. Nach Rupert SCHOLZ (FOCUS vom 12.04.1999, S. 30) gilt das Recht zur humanitären Intervention „prinzipiell ... kraft Gewohnheitsrechts“. Christian TOMUSCHAT (Die Welt vom 14.4.1999) hält die humanitäre Intervention für legitim, ebenso Mathias Herdegen (Die Welt vom 13.04.1999), Martin Nettesheim (Die Welt vom 27.03.1999 und NZZ vom 17./18.7.1999) und Jochen A. Frowein (Die Welt vom 19.08.1998 und NZZ vom 17./18.07.1999). Ulrich Beyerlin (Die Welt vom 27.03.1999) und Bruno SlMMA (SZ und Tagesspiegel vom 27.03.1999) halten die völkerrechtliche Rechtsgrundlage für zweifelhaft, die Luftschläge gleichwohl für hinnehmbar („eine lässliche Sünde“). Der Auffassung, dass die Operation der NATO rechtlich vertretbar war, haben sich inzwischen angeschlossen Daniel Thürer (NZZ vom 3.4.1999), Heinrich Wilms (Zeitschrift für Rechtspolitik, 6/1999, S.227 ff.), Eckart Klein (FAZ vom 21.6.99), Christopher GREENWOOD (Guardian vom 28.3.99). Entgegengesetzter Meinung sind Ulrich Fastenrath (FAZ vom 22.4.99) und Zuck (Zeitschrift für Rechtspolitik 6/1999, S. 225 ff.). Besondere Beachtung verdienen - auch wenn sich die Autoren hinsichtlich der NATO-Operation nicht festlegen - die Beiträge von Christian Tomuschat (Die Friedens-Warte 74, 1-2/1999, S.33), Tomo Eitel (ebenda, S. 27 ff.), Jost Dellbrück (ebenda, S. 139) sowie Christoph GuiCHERD (Survival, The IISS Quarterly, Summer 1999, Vol. 41/No. 2).

Anmerkungen

Steinkamm wird am Ende des Fragments wörtlich zitiert. Dem Leser ist aber nicht klar, dass auch schon vorher alles inhaltlich und z.T. auch im Wortlaut von Steinkamm stammt.

Man beachte auch, dass das Zitat am Ende des Fragments nicht identisch mit dem zitierten Originaltext ist.

Sichter
(Hindemith), Klicken


[3.] Jkr/Fragment 154 02 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-03-28 10:24:14 Hindemith
Fragment, Gesichtet, Jkr, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Steinkamm 2000, Verschleierung

Typus
Verschleierung
Bearbeiter
Hindemith
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 154, Zeilen: 2-19
Quelle: Steinkamm 2000
Seite(n): 351, Zeilen: 16ff
[...] obwohl im Gegensatz dazu argumentiert wird, dass der Fall der humanitären Intervention zur Rettung von Menschenleben und zur Verhinderung von Völkermord von den Normen UN-Charta[!] gar nicht erfasst wird.329 Eine Parallele zum Fall des Angriffskrieges ist jedoch unverkennbar: Bleibt bei einem Angriffskrieg der SR untätig, greift Art. 51 UN-Charta ein, der zur Selbstverteidigung berechtigt. Für den Fall brutaler Menschenrechtsverletzungen sieht die Charta Vergleichbares nicht vor. In analoger Anwendung des Grundsatzes des Art. 51 erscheint es gerechtfertigt, in angemessenem Umfang eine humanitäre Intervention als Selbsthilfe zuzulassen, wenn der Sicherheitsrat nicht tätig wird. Zwar ist dieser Artikel nicht unmittelbar anwendbar, nachdem die Charta diese Fälle nicht umfasst, aber der Grundgedanke der Notwehr und Nothilfe kommt in der Charta zum Ausdruck.330 Der Feststellung, dass die Auffassung von der Zulässigkeit einer auf den Schutz der Menschenrechte begrenzte Intervention im Vordringen ist, schlossen sich eine Reihe von Fachleuten an.331 Die zahlreichen politischen Stimmen, die das Eingreifen der NATO als legitim einstuften, basieren auf der Überzeugung, wonach es nicht nachvollziehbar sei, anzunehmen, die UN-Charta verbiete es, Völkermord zu verhindern, wenn der Sicherheitsrat am Handeln gehindert ist.332

329 Karl Doehring, Völkerrecht, Heidelberg 1999, Rdnr. 1013

330 ebd., Rdnr. 1014. Das Recht der Nothilfe ist in allen entwickelten Rechtsordnungen als allgemeine Regel anerkannt und nimmt an den Rechtsquellen des Völkerrechts teil. In analoger Anwendung des Grundsatzes des Art. 51 ist die humanitäre Intervention als Nothilfe einzustufen.

331 ebd. S. 436, Fn. 93

332 ebd. S. 448. Wenn eine Nothilfe verneint wird, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob bei Völkermord nicht für die von den massenweisen Verletzungen von Menschenrechten erga omnes betroffenen Staaten (bei schwer wiegenden Menschenrechtsverletzungen sind nach der völkerrechtlichen „erga-omnes-Wirkung“ alle Staaten der Staatengemeinschaft gleichzeitig in ihren Rechten verletzt) das Institut der Repressalie in Betracht kommen muss, um gegen derartige Verbrechen vorgehen zu können. Diese Möglichkeit wird nach Ipsen als denkbare Begründung in Erwägung gezogen.

Diese Gedanken aufgreifend, weist Doehring in seinem 1999 erschienenen Lehrbuch überzeugend nach, dass der Fall der humanitären Intervention zur Rettung von Menschenleben und zur Verhinderung von Völkermord von den Normen der SVN gar nicht erfasst wird.61 Diese Argumentation überzeugt vor allem deshalb, weil man sie in Parallele zum Fall des Angriffskrieges setzen kann: Bleibt in diesem Falle der SR untätig - wiederum wegen Unfähigkeit zum Ergreifen von Maßnahmen oder wegen eines Veto - greift Art. 51 SVN ein, der zur Selbstverteidigung berechtigt. Für den Fall der brutalen Verletzung von Menschenrechten sieht die Charta Vergleichbares nicht vor. Von daher erscheint es gerechtfertigt, in analoger Anwendung des Grundsatzes des Art. 51 SVN in angemessenem Umfang eine humanitäre Intervention als Selbsthilfe zuzulassen, wenn der SR nicht tätig wird. „Zwar ist Art. 51 SVN nicht unmittelbar anwendbar, weil die Charta diese Fälle nicht umfasst, aber der Grundgedanke der Selbstverteidigung und Selbsthilfe kommt in der Charta zum Ausdruck.62 Im Ergebnis kommt Doehring zu der Feststellung, dass die Auffassung von der Zulässigkeit einer auf den Schutz der (elementaren) Menschenrechte begrenzten Intervention im Vordringen ist.63 Von daher rechtfertigen sich auch die politischen Stimmen zu einem Eingreifen der NATO in Kosovo, die davon ausgehen, dass es nicht nachzuvollziehen ist, anzunehmen, die SVN verbiete es, Völkermord zu verhindern, wenn der SR hierzu nicht in der Lage ist.64

61 Völkerrecht. Heidelberg 1999, Rdnr. 1013.

62 A.a.O., Rdnr. 1014. Zustimmung muss auch der weitere Gedanke finden, dass entsprechend dem individuellen Selbstverteidigungsrecht im Falle der Verletzung fundamentaler Menschenrechte ein derartiges Notwehrrecht (Nothilfe) auch von jedem anderen Völkerrechtssubjekt, also auch von einem anderen Staat oder einer Staatenkoalition, geleistet werden kann. Auch dieses Recht zur Nothilfe ist in allen entwickelten Rechtsordnungen als allgemeine Regel anerkannt und nimmt ebenfalls an den Rechtsquellen des Völkerrechts teil. In diesen Fällen ist die humanitäre Intervention als Nothilfe zu qualifizieren. Sie findet in der SVN eine Entsprechung in dem analog anzuwenden Grundsatz des Art. 51, falls deren Organe sie nicht selbst leisten können.

63 Siehe hierzu weitere Hinweise bei Doehring, Völkerrecht, S. 436, Fn. 93, der zu den Völkerrechtlern zählt, die Art. 38 lit. d des Statuts des Internationalen Gerichtshofs meint.

64 Sofern selbst eine derartige Nothilfe verneint wird, müsste man in der Tat die Frage aufwerfen, ob im Falle des Völkermordes nicht für die - von den massenweisen Verletzungen von Menschenrechten erga omnes betroffenen - Staaten das Institut der Repressalie in Betracht kommen muss, um gegen derartige Verbrechen vorzugehen. So auch Doehring, a.a.O., S. 448. Vgl. dazu allgemein Wilfried FlEDLER/Eckart KLEIN/Anton Schnyder, Gegenmaßnahmen. Heidelberg 1998 (Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, 37).

Anmerkungen

Ein Quellenverweis fehlt.

Sichter
(Hindemith), Klicken


[4.] Jkr/Fragment 155 02 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-03-26 16:12:20 Graf Isolan
Fragment, Gesichtet, Jkr, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Steinkamm 2000, Verschleierung

Typus
Verschleierung
Bearbeiter
Hindemith
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 155, Zeilen: 2-8
Quelle: Steinkamm 2000
Seite(n): 351, 352, Zeilen: 351: 37ff; 352: 1-2
Zweifelsohne sind die Adressaten des Völkerrechts primär die Völkerrechtssubjekte, also die Staaten. Die Individuen werden nur in sekundärer Hinsicht angesprochen. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass Staaten in erster Linie von den in ihnen lebenden Bürgern getragen werden und sie für deren Wohl zu sorgen haben. Auf den ersten Blick erscheint es problematisch, auch im Wege der Nothilfe eine Eingriffsbefugnis von nicht betroffenen Staaten aus humanitären Gründen anzunehmen, die nicht dem Schutz eigener Staatsbürger dient. b) Es soll nicht verkannt werden, dass die Adressaten des Völkerrechts primär die Völkerrechtssubjekte, also in erster Linie die Staaten, sind und die Individuen nur in sekundärer Hinsicht angesprochen werden. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass Staaten keinem „Selbstzweck“ dienen, sondern in erster Linie von den in ihnen lebenden Menschen, den Bürgern, getragen werden und für deren Wohl zu sorgen haben. Gleichwohl erscheint es auf den ersten Blick nach wie vor problematisch - das zeigten die Stimmen, die sich gegen den Einsatz der NATO ausgesprochen haben - auch im Wege der Nothilfe eine Eingriffsbefugnis von nicht betroffenen Staaten

[Seite 351]

aus humanitären Gründen anzunehmen, die nicht dem Schutz eigener Staatsangehöriger dient.

Anmerkungen

Ein Quellenverweis fehlt.

Sichter
Graf Isolan


[5.] Jkr/Fragment 155 16 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-03-26 16:23:14 Graf Isolan
Fragment, Gesichtet, Jkr, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Steinkamm 2000, Verschleierung

Typus
Verschleierung
Bearbeiter
Hindemith
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 155, Zeilen: 16-31
Quelle: Steinkamm 2000
Seite(n): 351, Zeilen: 3-15, 22f
Entscheidend ist: Wer von einem grundsätzlichen Verbot der humanitären Intervention ausgeht, akzeptiert damit, dass bei Untätigkeit des SR eine Eingriffsbefugnis anderer Staaten selbst zur Verhinderung von Völkermord nicht besteht. Eine solche Auffassung räumt den friedenserhaltenden Strukturen der UN einseitig den Vorrang zu Lasten der Verteidigung der Menschenrechte ein. Dies ist umso unverständlicher, als sich die den Weltfrieden wahrende Struktur der UN nicht in einem Spannungsverhältnis zur Einhaltung der Menschenrechte befindet. Ziel der humanitären Intervention ist eindeutig nicht der Krieg und damit die Störung des Weltfriedens, sondern die Rettung von Menschenleben. Weil die UN-Charta diese Fallgestaltung nicht regelt, ist der Frage nachzugehen, wie die Probleme humanitärer Art im Sinne des Art. 1 Ziff. 3, also der Herbeiführung internationaler Zusammenarbeit, gelöst werden können. Dies ist insbesondere deshalb notwendig, weil die UN nicht in der Lage sind, Menschenrechtsprobleme auf der Grundlage der Charta zu lösen. Ein Rückgriff auf das allgemeine Völkerrecht, also auf den Schutz der Menschenrechte, wie sie in den oben angesprochenen Konventionen verbürgt sind, erscheint hier zwingend. Entscheidend ist hier: Wer - wie ein Teil der Völkerrechtswissenschaft, die sich auch zu dem Kosovo-Konflikt geäußert hat - von einem grundsätzlichen Verbot der humanitären Intervention ausgeht, akzeptiert damit, dass bei Untätigkeit des SR eine Eingriffsbefugnis anderer Staaten selbst zur Verhinderung von Völkermord nicht besteht. Eine derartige Auffassung räumt den friedenserhaltenden Strukturen der VN absoluten Vorrang gegenüber der Verteidigung der Menschenrechte ein - ja: sie ignoriert bewusst und gezielt den Schutz fundamentaler Menschenrechte.

Eine derartige Auffassung ist umso unverständlicher, als sich die den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wahrende Struktur der VN offenbar nicht in einem Spannungsverhältnis zu humanitären Anliegen und der Achtung der Menschenrechte befindet, wie ein Blick auf Art. 1 Ziff. 1 und Ziff. 3 der SVN belegt. [...] Denn Ziel der humanitären Interventionen ist nicht der Krieg, ist nicht die Störung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, sondern die Rettung von Menschenleben. Gerade deshalb, weil die Charta diese Fallgestaltung nicht regelt, ist es geboten, die Frage aufzuwerfen, wie die Probleme humanitärer Art im Sinne des Art. 1 Ziff. 3 gelöst werden können, wenn die VN nicht in der Lage sind, die Menschenrechte auf der Grundlage der Charta zu lösen. Hier ist der Rückgriff auf das allgemeine Völkerrecht zwingend, also auf den Schutz der Menschenrechte, wie sie in den einschlägigen Konventionen verbürgt sind.65


65 Vgl. Heinrich WILMS, Der Kosovo-Einsatz und das Völkerrecht, Zeitschrift für Rechtspolitik 1999, Heft 6, S. 227 ff. (230).

Anmerkungen

Ein Quellenverweis fehlt.

Sichter
(Hindemith), Graf Isolan


[6.] Jkr/Fragment 156 15 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-03-26 16:56:55 Graf Isolan
Fragment, Gesichtet, Jkr, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Steinkamm 2000, Verschleierung

Typus
Verschleierung
Bearbeiter
Hindemith
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 156, Zeilen: 15-34, 101-102
Quelle: Steinkamm 2000
Seite(n): 353, Zeilen: 8ff
Im Zusammenhang mit dem umfassenden Gewaltverbot nach Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta zwingen die Ereignisse im Kosovo und die bisher nicht festgestellten [sic!] Rechtmäßigkeit der humanitären Intervention zu einer einwandfreien Bestimmung der Grenzen und des Inhalts des Gewaltverbots.335 Dazu ist es notwendig, zu klären, ob die humanitäre Intervention eine Ausnahme vom Gewaltverbot ist und in welchem Rahmen sie in Betracht kommt. Wer diese Ausnahme nicht zulassen will, kommt nicht umhin, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Verletzung der UN-Charta nicht nach den Grundsätzen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Völkerrechtliche Rechtfertigungsgründe, die dabei in Betracht kommen könnten, wären das in der UN-Charta kodifizierte Verteidigungsrecht nach Art. 51 der Charta als ein „Natur gegebenes Recht“, das auch außerhalb der Charta als allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts gilt. Seine Anwendung könnte sich in Fällen wie dem Kosovo-Konflikt durchsetzen, falls der SR bei der Wahrnehmung bei der faktischen Wahrnehmung [sic!] des ihm zukommenden Gewaltmonopols versagt. Bleibt es jedoch bei der Auffassung, dass eine solche Ausweitung des Natur gegebenen Rechts der kollektiven Verteidigung auf angegriffene Minderheiten oder Volksgruppen auch in Zukunft wenig wahrscheinlich ist, so ist der Rückgriff auf eine mögliche Rechtfertigung durch eine Notsituation naheliegend.

335 Knut Ipsen, Relativierung des „absoluten“ Gewaltverbots? - Zur Problematik der Erstanwendung zwischenstaatlicher Waffengewalt, in: Wehrrecht und Friedenssicherung, S. 103 ff.

a) Die Frage nach dem Schutzbereich, den Art. 2 Ziff. 4 SVN mit einem umfassenden Gewaltverbot als völkervertragsrechtlicher Norm und/oder als gewohnheitsrechtlich geltender allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts statuiert, zwingt angesichts der Ereignisse in Kosovo und der bisher nicht einhellig bejahten Rechtmäßigkeit der humanitären Intervention zu einer neuen, einwandfreien Bestimmung der Grenzen und des Inhalts des Gewaltverbots.67 Dabei ist natürlich in besonderer Weise die Frage aufzuwerfen, ob die „humanitäre Intervention“ eine - wie auch immer geartete - Ausnahme vom Gewaltverbot ist und in welchem Rahmen und in welchem Umfang sie in Betracht kommt. In diesem Zusammenhang wäre selbstverständlich auch das Verständnis des Gewaltverbotes nach Ziel und Zweck zu präzisieren.68

b) Wer die vorstehende Interpretation und die damit verbundene Stellung des Gewaltverbots in der SVN nicht übernimmt, also auf der Auffassung beharrt, die NATO-Staaten hätten Art. 2 Ziff. 4 SVN verletzt, kommt nicht umhin, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Verletzung der SVN nicht nach den Grundsätzen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Hier geht es dann nicht mehr um die Grenzen des Anwendungs- und Schutzbereichs des Gewaltverbots nach Art 2 Ziff. 4 SVN, sondern um eine Argumentation auf der Rechtfertigungsebene. Völkerrechtlich anerkannte Rechtfertigungsgründe, die insoweit in Betracht kommen könnten, wären das in der Charta kodifizierte (kollektive) Verteidigungsrecht auf der Grundlage des Art. 51 SVN als ein „Natur gegebenes Recht“, das bereits vor der Schaffung der SVN bestanden hat und auch außerhalb der Charta als allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts gilt. Seine Anwendung - dies begründet Ipsen überzeugend - könnte sich in Fällen wie dem des Kosovo-Konflikts durchsetzen, falls der VN-SR wie bisher bei der faktischen Wahrnehmung des ihm normativ zukommenden Gewaltmonopols in den meisten Fällen versagt. Bleibt es bei der gegenwärtigen, wohl mehrheitlich vertretenen Auffassung, dass eine solche Ausweitung des Natur gegebenen Rechts der kollektiven Verteidigung auf angegriffene Minderheiten oder Volksgruppen auch in Zukunft wenig wahrscheinlich ist, ist der Rückgriff auf eine mögliche Rechtfertigung durch eine Notstandssituation naheliegend und wohl kaum zu vermeiden.


67 Siehe Knut IPSEN, Relativierung des „absoluten“ Gewaltverbots? - Zur Problematik der Erstanwendung zwischenstaatlicher Waffengewalt, in: Wehrrecht und Friedenssicherung. Festschrift für Klaus Dau. Hg. Armin A. Steinkamm in Zusammenarbeit mit Knut IPSEN/Christian Ra AP/Torsten Stein. Neuwied 1999, S. 103 ff.

68 A.a.O., S. 109 ff.

Anmerkungen

Ein Quellenverweis fehlt, obwohl hier eine gekürzte, aber direkte Übernahme vorliegt.

Sichter
(Hindemith), Graf Isolan