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Angaben zur Quelle [Bearbeiten]

Autor     Dorothee Wierling
Titel    Die Jugend als innerer Feind. Konflikte in der Erziehungsdiktatur der sechziger Jahre
Sammlung    Sozialgeschichte der DDR
Herausgeber    Hartmut Kaelble / Jürgen Kocka / Hartmut Zwahr
Ort    Stuttgart
Verlag    Klett-Cotta
Jahr    1994
Seiten    404-425

Literaturverz.   

ja
Fußnoten    ja
Fragmente    2


Fragmente der Quelle:
[1.] Mhe/Fragment 026 13 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2016-07-18 13:10:37 Schumann
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Mhe, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wierling 1994

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
Schumann
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 26, Zeilen: (1-12) 13-14 (14-17) 18-25 (25-28) 29-33
Quelle: Wierling 1994
Seite(n): (404), (406), 407, (409), 410, 411, (420), Zeilen: (404: 12 ff.); (406: 25 ff.); 407: 2 ff.; (409: 37 ff.); 410: 6 ff.; 411: 1 ff.; (420: 5 ff.)
„Die sechziger Jahre sind in der DDR nicht nur eine Phase der partiellen Modernisierung, sondern auch die Hochzeit eines pädagogischen Optimismus, der sich auf die Nachgkriegsgeborenen [sic] richtete [..].“ (Wierling, 1994, S.404)

Mit dem Mauerbau 1961 in Berlin und der damit verbundenen Grenzschließung entlang der gesamten Westgrenze der DDR „sollte nicht nur der ökonomischen, sondern auch der geistigen ’Grenzgängerei’ Einhalt“ (Wierling 1994, S.406) geboten werden. „Die Schließung der Staatsgrenze nach Westen sollte auch den Erziehungsraum begrenzen, in dem künftig Freund und Feind noch klarer definiert und jeglicher Kontakt noch rigider unterbunden werden sollte. Das Bewußtsein, mit dem Mauerbau einen Gewaltakt gegen die eigene Bevölkerung vollzogen zu haben, forderte die DDR-Führung heraus, die erhöhte „Wachsamkeit“ und verschärfte Strafmaßnahmen gegen möglichen Widerstand mit der Inszenierung von Zustimmung und Begeisterung in der Bevölkerung verband. Alle diese Kampagnen richteten sich insbesondere an Jugendliche.“ (Wierling 1994, S.406)

Die Schüler und Lehrlinge wurden aufgefordert, sich schriftlichen gegen das „Abhören“ westlicher Rundfunkstationen zu verpflichten. Jedoch mit wenig Erfolg „Deutschlandfunk, Radio Luxemburg und der ARD Beat-Club wurden nicht nur in steigendem Maße gehört, gesehen und gespeichert, sondern repräsentative Umfragen unter Jugendlichen ergaben auch eine wachsende Offenheit im Bekenntnis zu diesem Freizeitvergnügen“ (Wierling 1994 S.409).

Vor allem männliche Jugendliche aus dem Arbeitermilieu begeisterten sich für die westliche Beatmusik, wie Ergebnisse des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung, das seit 1962 regelmäßig die ideologischen Einstellungen von Jugendlichen untersuchten, zeigten. Ihre musikalischen Vorlieben brachten diese Jugendlichen auch durch einen äußeren Habitus, z.B. durch längere Haare, Schlaghosen und entsprechende Hemden zu [sic] Ausdruck. Damit setzten sie sich demonstrativ vom staatsjugendlichen Erscheinungsbild, das mit einem soldatischen Haarschnitt und einer straffen Körperhaltung verbunden war, ab. „Das den Jugendlichen angelastete ‘Eckenstehen, Herumlungern und Gammeln’ ebenso wie die mit Abscheu beschriebenen Bewegungen beim wilden ‘Auseinandertanzen’ und Gitarrenschlagen waren Teil einer undisziplinierten, unmännlichen und außer Kontrolle geratenen Körperlichkeit“ (Wierling 1994, S. 410-411).

Das Freizeitverhalten der DDR-Jugendlichen ähnelte stark dem Freizeitverhalten der westlichen Jugendlichen sowie auch die Ablehnung durch die ältere Generation eine westliche Entsprechung findet. In der DDR erhielten die eigentlich politikfernen kulturellen Zeichen jedoch eine Bedeutung, indem sie durch die DDR-Erzieher politisiert wurden.

„Aber die Bilanz am Ende der sechziger Jahre wies aus, daß es nur in bezug auf eine kleine Minderheit gelungen war, die Jugend mit den sozialistischen Zielen zu verbinden. Die politischen Strukturen in DDR bauten einerseits auf Begeisterung und Pathos, mehr aber noch auf Einbindung und Disziplin. Im Konfliktfall hatte der Gehorsam immer den Sieg über die Eigeninitiative davongetragen. Der politisch zuverlässige Teil der Jugend war kaum in der Lage, den großen Rest zu Engagement und Leidenschaft zu [verführen. [...] (Wierling 1994, S.420).]

[Seite 404]

Die sechziger Jahre sind in der DDR nicht nur eine Phase partieller Modernisierung1, sondern auch die Hoch-Zeit eines pädagogischen Optimismus, der sich auf die Nachkriegsgeborenen richtete [...]

[Seite 406]

Der Bau der Mauer in Berlin und die damit verbundene Grenzschließung und -Sicherung entlang der gesamten Westgrenze der DDR sollte nicht nur der ökonomischen, sondern auch der geistigen „Grenzgängerei“ Einhalt gebieten. Die Schließung der Staatsgrenze nach Westen sollte auch den Erziehungsraum begrenzen, in dem künftig Freund und Feind noch klarer definiert und jeglicher Kontakt noch rigider unterbunden werden sollte. Das Bewußtsein, mit dem Bau der Mauer einen Gewaltakt gegen die eigene Bevölkerung vollzogen zu haben, forderte die DDR-Führung zu Kampagnen heraus, die erhöhte „Wachsamkeit“ und verschärfte Strafmaßnahmen gegen möglichen Widerstand mit der Inszenierung von Zustimmung und Begeisterung in der Bevölkerung verbanden. Alle diese Kampagnen richteten sich insbesondere an Jugendliche.

[Seite 407]

Im gleichen Zeitraum wurden Schüler und Lehrlinge in der gesamten DDR aufgefordert, sich durch eine schriftliche Erklärung gegen das „Abhören“ westlicher Rundfunkstationen zu verpflichten.

[Seite 409]

Deutschlandfunk, Radio Luxemburg und der ARD-Beatclub wurden nicht nur in steigendem Maße gehört, gesehen und gespeichert, sondern repräsentative Umfragen unter Jugendlichen ergaben auch eine wachsende Offenheit im Bekenntnis zu diesem Freizeitvergnügen.

[Seite 410]

Während damit eine ganze Generation unter pauschalen Verdacht geriet, ging diese Gefährdung in den sechziger Jahren offensichtlich in besonderem Maße von der männlichen Arbeiterjugend aus. [...] [dies]es wurde durch die Untersuchungen bestätigt, die von Jugendforscbem seit 1962 regelmäßig und mit immer höherem Anspruch auf Repräsentativität seit 1966 unter dem Dach des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung durchgeführt wurden. [...]

Die Beatfans alarmierten nicht nur durch ihre musikalischen Vorlieben, sondern durch einen äußeren Habitus, mit dem sie sich demonstrativ vom staatsjugendlichen Erscheinungsbild absetzten. Ihre „negative Erscheinung“17 machte sich durch längere Haare, den sogenannten Pilzkopf, und einen bestimmten Kleidungstypus kenntlich. [...] Der Ekel, der oft aus den abfälligen Beschreibungen in den Reden und Veröffentlichungen der Erzieher spricht, scheint deshalb weniger dem vermeintlichen Schmutz und der äußeren Verwahrlosung der betreffenden Jugendlichen gegolten zu haben als vielmehr der provozierenden Überschreitung der Grenzen eines männlichen Habitus, der an sachliche Kleidung, soldatischen Haarschnitt und straffe Körperhaltung gebunden war und zugleich dem Ideal des männlichen Proletariers entsprach. Das den Jugendlichen angelastete „Eckenstehen, Herumlungern und Gammeln“ ebenso wie die mit Abscheu beschriebenen Bewegungen beim wilden „Auseinandertanzen“ und Gitarreschlagen waren

[Seite 411]

Teil einer undisziplinierten, unmännlichen und außer Kontrolle geratenen Körperlichkeit. [...]

[...] All dies ähnelte stark dem Freizeitverhalten der westlichen Jugendlichen, wie auch der Abscheu der älteren Generation seine westliche Entsprechung hat, erhielt seinen besonderen Reiz aber dadurch, daß die ursprünglich politikfernen kulturellen Zeichen durch die von den DDR-Erziehern gesetzte Politisierung einen Bedeutungszuwachs erhielten, der zum dauernden Resonanzboden des Jugendstils in der DDR wurde.

[Seite 420]

Aber die Bilanz am Ende der sechziger Jahre wies aus, daß es nur in bezug auf eine kleine Minderheit gelungen war, die Jugend mit den sozialistischen Zielen zu verbinden. Die politischen Strukturen in der DDR bauten, einerseits auf Begeisterung und Pathos, mehr aber noch auf Einordnung und Disziplin. Im Konfliktfall hatte der Gehorsam immer den Sieg über die Eigeninitiative davongetragen. Der politisch zuverlässige Teil der Jugend war deshalb kaum in der Lage, den großen Rest zu Engagement und Leidenschaft zu verführen.


1 Zur Modernität der DDR und der Modernisierungsfalle, in der das System steckte, vgl. Sigrid Meuschel, Überlegungen zu einer Herrschafts- und Gesellschaftsgesdnchte der DDR, in: Geschichte und Gesellschaft 19 (1993), S. 5-14, bes. S. 9; sowie der Beitrag von Martin Kohli in diesem Band.

17 Dorothee Wierling, „Negative Erscheinungen“ - Zu einigen Sprach- und Argumentationsmustern in der Auseinandersetzung mit der Jugendsubkultur in der DDR der sechziger Jahre, in: Werkstatt Geschichte 5 (1993), S. 29-37.

Anmerkungen

Der Inhalt der gesamten Seite stammt aus Wierling. Man mag das angesichts von immerhin sechs (angeblich) wörtlichen Zitaten auch vermuten, doch bleibt der Übernahmecharakter für die beiden längeren Textpassagen, die (anders als weiter oben) weitere Detailinformationen enthalten und nicht bloß rein moderierend wirken, unklar weil ungekennzeichnet.

Die Gegenüberstellung des gesamten Seiteninhalts demonstriert für die gekennzeichneten wörtlichen Zitate auch die (wenn auch hier eher kleinen) Abweichungen gegenüber dem Wortlaut der Quelle.

Sichter
(Schumann), SleepyHollow02


[2.] Mhe/Fragment 027 05 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2016-10-30 18:18:51 Schumann
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Mhe, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Wierling 1994

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
Schumann
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 27, Zeilen: 5-11
Quelle: Wierling 1994
Seite(n): 421, Zeilen: 27 ff.
Das staatlich-parteiliche Erziehungssystem stand in einem zweispältigen [sic] Konflikt zu dem familiären. Einerseits gehörten Lehrer und Eltern oftmals der gleichen Generation an, teilten ähnliche historische Erfahrungen und Wertorientierungen, wie z.B. die Ablehnung der „Langhaarigen“ und ihre Musik, andererseits lehnten viele Eltern die politische Zielrichtung in der Erziehung ab. Daraus ergab sich oft eine widersprüchliche Einstellung zur öffentlichen Erziehung, deren autoritäre Ausrichtung bei den Eltern durchaus Zustimmung fand, mit der man aber offene Konflikte vermeiden wollte. Das staatlich-parteiliche Erziehungssystem stand zum familiären in einem zwiespältigen Verhältnis. Denn einerseits teilten Lehrer und Eltern gleicher Generationszugehörigkeit ähnliche historische Erfahrungen und Wertorientierungen und waren sich in bezug auf ihre Ablehnung des Stils der „Langhaarigen“ und ihrer Musik einig, übrigens ja auch mit der Elterngeneration in der westlichen Bundesrepublik. Andererseits standen die meisten Eltern den politischen Zielen der staatlichen Erziehung ablehnend gegenüber. Daraus ergab sich eine widersprüchliche Einstellung zur öffentlichen Erziehung, die man in ihrer autoritären Ausrichtung durchaus schätzte, mit der man jedenfalls offene Konflikte vermeiden wollte.
Anmerkungen

Die Quelle ist im Absatz darüber – für ein wörtliches Zitat – genannt.

Sichter
(Schumann), SleepyHollow02