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Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
SleepyHollow02
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 128, Zeilen: 1 ff. (kpl.)
Quelle: Gropp 2000
Seite(n): 10 f., Zeilen: S. 10: 8ff
[Die Geburt ist somit nur noch ein Abschnitt auf dem Lebensweg des Menschen und verliert damit ihr Gewicht als Kriterium für eine wesentliche Ungleichheit im] strafrechtlichen Sinn. Das Ungeborensein vermag die Ungleichbehandlung des Ungeborenen nicht mehr zu rechtfertigen. Fraglich ist nur, wie weit das strafrechtliche Menschsein im Zeitalter von pränataler Diagnostik und Therapie auf den vorgeburtlichen Bereich ausgedehnt werden soll.458

Die Lösung ist in den Spätschwangerschaftsabbrüchen vorgezeichnet. Denn was bei diesen durch den Fetozid verhindert werden soll, ist die Geburt eines Kindes, welches extrauterin potentiell unabhängig von der Mutter überleben kann. Diese Lebensfähigkeit passt nun nicht in das Tatbild der Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch von 1871 bis heute. Das Lebensrecht des Ungeborenen ist durch die potentielle extrauterine Lebensfähigkeit von einer „Anwartschaft“ mittlerweile zum Vollrecht gereift. Aus diesem Grund ist die notwendige Abhängigkeit vom Organismus der Mutter, die auf seiner Unreife beruhende Lebensunfähigkeit des Ungeborenen der wesentliche Unterschied, der eine Ungleichbehandlung des Ungeborenen, die Unterscheidung zwischen Schwangerschaftsabbruch und Tötungsdelikt zu rechtfertigen vermag.459 Die mangelnde Lebensfähigkeit ist somit der sachliche Grund für eine Ungleichbehandlung. Aus diesem Grund verbietet es der Gleichheitssatz, ein noch nicht geborenes, aber außerhalb des Mutterleibes potentiell lebensfähiges Kind im Interesse Dritter, auch dem der Mutter, zu töten, es sei denn, eine Schnittentbindung ist nicht möglich oder die Schwangere geriete bei Fortsetzung der Schwangerschaft physisch in Lebensgefahr.

Das ungeborene Kind wäre folglich mit dem Beginn der Lebensfähigkeit dem geborenen hinsichtlich des strafrechtlichen Lebensschutzes gleichzustellen. Dies bedeutet mit anderen Worten, im Sinne der Tötungsdelikte wäre der extrauterin lebensfähige Ungeborene „Mensch“. Dies ist freilich ein Ergebnis mit weitreichenden Konsequenzen.460

Rechtsvergleichend lassen sich aber durchaus Rechtsordnungen finden, in denen die potentielle extrauterine Lebensfähigkeit des Embryos auf dem Weg zur strafrechtlichen „Menschwerdung“ einen entscheidenden Einschnitt bildet. So stellt die Lebensfähigkeit des Ungeborenen beispielsweise in der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court ein Gegengewicht zu dem Recht auf Schwangerschaftsabbruch dar. Abtreibungsgesetze in verschiedenen Einzelstaaten wie Pennsylvania oder Illinois verpflichten den Arzt im Falle eines Spät-[abbruchs in derselben Weise für das Leben und die Gesundheit des Kindes zu sorgen, wie wenn die Mutter nicht einen Abbruch, sondern eine Lebendgeburt wünscht.461]


458 Gropp: Der Embryo als Mensch, GA 2000, S. 1 (10)

459 Gropp: Der Embryo als Mensch, GA 2000, S. 1 (10)

460 Gropp: Der Embryo als Mensch, GA 2000, S. 1 (11)

Die Geburt ist somit letztlich nur noch eine Episode auf dem Lebensweg des Menschen. Sie verliert ihr Gewicht als Kriterium für eine wesentliche Ungleichheit im strafrechtlichen Sinne. Es vermag - in der Formulierung einer zweigliedrigen Prüfung des Gleichheitssatzes - das Ungeborensein die Ungleichbehandlung der Ungeborenen nicht mehr zu rechtfertigen. Und wie die mit dem Geburtsvorgang verbundenen Risiken den Gesetzgeber von 1871 veranlaßt haben, das strafrechtliche »Menschsein« in der Geburt beginnen zu lassen45, so sollten ihn die Risiken pränataler Diagnostik und Therapie heute veranlassen, diese Zone auf den vorgeburtlichen Bereich auszudehnen. Fraglich ist nur, wie weit jene Ausdehnung reichen soll.

[...]

Die Lösung ist in unserer Ausgangsproblematik, den Spätschwangerschaftsabbrüchen, vorgezeichnet. Denn was hier durch den Fetozid verhindert werden soll, ist die Geburt eines Kindes, das extrauterin potentiell unabhängig von der Mutter überleben kann. Diese Lebensfähigkeit ist das, was uns irritiert, weil sie in das Tatbild der Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch von 1871 bis heute nicht hineinpaßt. Das durch die Abhängigkeit von der Mutter insoweit zunächst nur als »Anwartschaft« zu denkende Lebensrecht des Ungeborenen ist durch die potentielle extrauterine Lebensfähigkeit zum Vollrecht gereift46. Damit ist die notwendige47 Abhängigkeit vom Organismus der Mutter, die auf seiner Unreife beruhende mangelnde Lebensfähigkeit des Ungeborenen der wesentliche Unterschied, der die Ungleichbehandlung des Ungeborenen, die Unterscheidung von Schwangerschaftsabbruch und Tötungsdelikten trägt. Negiert man diesen Unterschied, dann ist man - wie bei den Spätabbrüchen - gezwungen, um der Straffreiheit willen »systemkonform« intrauterin aktiv zu töten48.

Wenn man somit von der mangelnden Lebensfähigkeit als dem sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung ausgeht und wenn Geborene zur Abwendung einer Gefahr zugunsten Dritter allenfalls in den seltenen Fällen des defensiven rechtfertigenden Notstands49 getötet werden dürfen, dann verbietet es der Gleichheitssatz, ein noch ungeborenes, aber extrauterin potentiell lebensfähiges Kind im Interesse Dritter, auch dem der Mutter, zu töten, es sei denn, daß eine Schnittentbindung nicht möglich ist und die Schwangere bei Fortsetzung der Schwangerschaft physisch in Lebensgefahr geriete.

Unser Zwischenergebnis lautet somit: Mit dem Beginn der Lebensfähigkeit ist das ungeborene Kind dem geborenen hinsichtlich des strafrechtlichen Lebensschutzes gleichzustellen, m.a.W.: im Sinne der Tötungsdelikte ist der extrauterin lebensfähige Ungeborene »Mensch«.

Dies ist freilich ein Ergebnis mit weitreichenden Konsequenzen. [...]

Hier sei nur der Hinweis erlaubt, daß sich rechtsvergleichend durchaus Rechtsordnungen finden lassen, in denen die potentielle extrauterine Lebensfähigkeit des Embryos auf dem Weg zur strafrechtlichen »Menschwerdung« eine entscheidende Etappe bildet.

So stellt die Lebensfähigkeit des Ungeborenen etwa in der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court ein Gegengewicht zu dem Recht auf Schwangerschaftsabbruch dar51. Abtreibungsgesetze in verschiedenen Einzelstaaten, etwa Pennsylvania oder Illinois, sehen vor, daß der Arzt im Falle eines Spätabbruchs in derselben Weise für das Leben und die Gesundheit des Kindes zu sorgen hat, wie wenn die Mutter nicht einen Schwangerschaftsabbruch, sondern eine Lebendgeburt wünscht52.

Anmerkungen

Quelle ist in allen Fn. genannt.

Sichter
(SleepyHollow02), PlagProf:-)