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Film und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Propaganda als Medienrealität im Aktualitäten- und Dokumentarfilm

von Ulrike Oppelt

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[1.] Uo/Fragment 074 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-09-17 23:20:01 Graf Isolan
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, SMWFragment, Schlüpmann 1990, Schutzlevel sysop, Uo

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
Graf Isolan
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 74, Zeilen: 1, 6-37, 106
Quelle: Schlüpmann 1990
Seite(n): 204, 205, 207, Zeilen: 204:26-28.37-40; 205:2-18.22-30.32-37; 207:4-6
[Im Vordergrund der Überlegungen stand eine staatliche Zensur, wie sie der Jurist Albert Hellwig in zahlreichen Veröffentli]chungen darlegte.79 [...] Die Hoffnung der Volkserzieher auf ein staatliches Kino blieb zunächst jedoch unerfüllt. Der Kampf richtete sich daher gegen einzelne Filme, die in den bestehenden Kinos gezeigt wurden.

Das Kino erregte als Ort öffentlichen Vergnügens Anstoß bei der Reformbewegung. Inhaltlich wandte diese sich mit aller Heftigkeit gegen das sogenannte „Kinodrama“. Hierunter verstanden sie alle Filme mit Spielhandlung, im engeren Sinne jedoch die „Liebesdramen“, sowie Kriminalfilme, Abenteuer- und Sensationsstreifen. Merkwürdigerweise standen Komödien nie im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Märchenfilme wurden sogar als Form des fiktiven Genres begrüßt, und ihre Produktion nahm nicht rein zufällig einen Aufschwung während des Ersten Weltkrieges.81 Filme mit Spielhandlungen waren in den anfänglichen Programmen gar nicht oder nur äußerst selten vertreten. Noch um 1910 lief ein Durchschnittsprogramm folgendermaßen ab: Musik, Aktualitäten, Humoristischer Einakter, Drama, Komisches, Pause, Allgemeines, Naturaufnahmen, Drastisch-Komisches, große Attraktion, Wissenschaftliches, Derb-Komisches.82 Schon zwei Jahre später hatte sich das Bild entschieden verändert. Der Anteil der Dramen betrug nun 58%, der Humoresken 20%, Aktualitäten 5%, Wissenschaftliches 2% und „Sonstiges“ 15%. Die Kinodramen verbreiteten massenhaft und mit ganz neuer Wirkung den „Schmutz und Schund“, den die Bildungsbürger in der Trivialliteratur bekämpften. Konrad Lange schrieb: „Ganz schlimm aber ist es, wenn man diesen Dramen dadurch einen höheren Wert zu verleihen sucht, dass man klassische Dichtungen in solch barbarischer Weise herrichtet.“83 Der Film sollte nach den Vorstellungen der Kinoreformer in erster Linie als Medium außerhalb der Kinos genutzt werden und mit seinen reproduktiven Qualitäten in der Forschung und durch seine visuelle Information in der Wissensvermittlung eingesetzt werden. Man entwickelte eigene Reform-Kino-Programme, in denen Naturaufnahmen mit denen von industriellen und kulturellen Ereignissen und Einrichtungen abwechselten, unterbrochen von musikalischen Darbietungen. In den Schriften von Sellmann, Warstat u.a. werden solche Programme mit Titeln genannt wie „Das Meer“, „Sonniger Süden“ sowie „Die Tierwelt in Poesie und Leben“.84 Der Kinoraum wie auch sein Produkt das Kinodrama wurden mit [denselben Argumenten verurteilt: ein Feind der bürgerlichen Ordnung, von Sitte, Moral und Volksgesundheit.85 ]


79 U. a. Albert Hellwig: Schundfilms. Ihr Wesen, ihre Gefahren und ihre Bekämpfung, Halle a. d. S. 1911.

81 Vgl. Schlüpmann: Unheimlichkeit des Blicks, 1990, S. 205.

82 Vgl. Zglinicki: Weg des Films, S. 357.

83 Lange: Ethischer und ästhetischer Standpunkt, in: Flugschrift, 1912, S. 21.

84 Vgl. Sellmann: Volkserzieher?, 1912, S. 48-63; oder Willi Warstat/ Franz Bergmann: Kino und Gemeinde, M. Gladbach 1913, S. 19-25.

85 Vgl. Schlüpmann: Unheimlichkeit des Blicks, 1990, S. 207.

[Seite 204]

Staatliche Überwachung, vornehmlich in Form der Zensur, stand im Vordergrund von Überlegungen, wie der Jurist Hellwig sie in zahlreichen Veröffentlichungen anstellte.

[...]

Das Interesse am Kapital läßt die Hoffnung der Volkserzieher auf ein ganz anderes Kino, ein Kino, das sie in der Hand hätten, ein staatliches Kino - erst einmal zumindest -, unerfüllt.

[Seite 205]

Das Kino als öffentlicher Ort des Vergnügens erregte den ersten Anstoß; zum zweiten aber wandte sich die Reformbewegung gegen das, was sie das 'Kinodrama’ nannte. Im weiteren Sinne meinte das alle Filme mit Spielhandlung, im engeren jedoch die ’Liebesdramen’ - Melodramen und soziale Dramen -, Kriminalfilme, Abenteuer- und Sensationsstreifen. Die Komödien standen merkwürdigerweise nie im Zentrum der Aufmerksamkeit, Märchenfilme u.ä. hingegen wurden sogar als mögliche Form des fiktionalen Genres begrüßt.129 Ihre Produktion nahm nicht zufällig während des Ersten Weltkriegs einen Aufschwung. Filme mit Spielhandlung kamen in den anfänglichen Programmen gar nicht oder nur im geringen Umfang vor. Zglinicki gibt an, daß das Durchschnittsprogrammschema noch um 1910 folgendermaßen ausgesehen habe: Musik, Aktualitäten, Humoristische Einakter, Drama, Komisches, ’Pause’, Allgemeines, Naturaufnahmen, Drastisch-Komisches, die große Attraktion, Wissenschaftliches, Derb-Komisches.130 Zwei Jahre später hat sich das Bild entschieden verändert: 1912 beträgt der Anteil der Dramen 58 Prozent, der der Humoresken 20 Prozent, Aktualitäten 5, Wissenschaftliches 2 und ’Sonstiges’ 15 Prozent.

[...] Die Kinodramen verbreiteten massenhaft und mit ganz neuer Wirkungskraft, den ’Schmutz und Schund', den die Bildungsbürger in der Trivialliteratur bekämpften; nahmen sie aber Werke der 'hohen' Literatur zur Vorlage, so kam das einer Blasphemie gleich.131 Der Film sollte nach den anfänglichen Vorstellungen der Kinoreformer in erster Linie als das Medium genutzt werden, als das es auch außerhalb der Kinos existiert hatte und weiterentwickelt werden konnte: als das Mittel der Wissenschaft und der Information. Hier sollte es durch seine reproduktiven Qualitäten der Forschung, durch seine visuellen der Wissensvermittlung dienen. [...] Man entwickelte eigene Reform-Kino-Programme, in denen Naturaufnahmen mit denen von industriellen und kulturellen Ereignissen und Einrichtungen wechselten und musikalische Darbietungen das Filmprogramm unterbrachen. Unter Titeln wie “Das Meer”, im “Sonnigen Süden”, “Die Tierwelt in Poesie und Leben” sind sie in den Schriften von Sellmann, Warstat u.a. aufgeführt.132

[Seite 207]

Das ’Drama’ war Produkt und Repräsentant dieses Kinos. Es wurde daher mit ähnlichen Argumenten wie das Kino überhaupt verurteilt: als Feind der bürgerlichen Ordnung, von Sitte, Moral und Volksgesundheit.


129 So von Willi Warstat in: Willi Warstatt/ Franz Bergmann, Kino und Gemeinde, a.a.O., S. 20: “Und selbst das Reich der Phantasie ist dem realistischen Werkzeug einer realistischen Zeit nicht verschlossen. Die Gestalten des Mythos, der Heldensage, des Märchens, sie alle können auf dem leuchtenden Film an uns vorüberziehen.”

130 Vgl. Friedrich von Zglinicki, Der Weg des Films, a.a.O., S. 357.

131 Vgl z. B. Konrad Lange, “Der Kinematograph vom ethischen und ästhetischen Standpunkt”, a.a.O.. Lange schreibt: “Ganz schlimm aber ist es, wenn man diesen Dramen dadurch einen höheren Wert zu verleihen sucht, daß man klassische Dichtungen in solch barbarischer Weise herrichtet (S. 21).

132 Vgl. A. Sellmann, Der Kinematograph als Volkserzieher?, a.a.O., “Reformvorschläge”, S. 48-63; oder Willi Warstat, Franz Bergmann, Kino und Gemeinde, a.a.O.: “Die positive Reformarbeit der kinematogaphischen Musterbühnen, der Gemeindekinos”, S. 19-25.

Anmerkungen

Art und Umfang der Übernahmen bleiben ungekennzeichnet.

Sichter
(Graf Isolan) Schumann



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