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Film und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Propaganda als Medienrealität im Aktualitäten- und Dokumentarfilm

von Ulrike Oppelt

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[1.] Uo/Fragment 206 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-09-16 21:49:45 Graf Isolan
BauernOpfer, Fragment, Gesichtet, Gunning 1995, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Uo

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
Graf Isolan
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 206, Zeilen: 1-33
Quelle: Gunning 1995
Seite(n): 114, 115-116, Zeilen: 114:12-13.25-28.36-37; 115:11-22.25-32.36-42.43 - 116:1-6.21-24
Der Ausdruck „Ansicht/en“, der in zeitgenössischen Texten oft verwendet wird, sagte aus, dass das Gefilmte bereits vor seiner Aufnahme existiert hat (Landschaften, Gebräuche, Arbeitsmethoden) oder auch ohne Anwesenheit der Kamera stattgefunden hätte (Sportereignisse, Begräbnisse, Krönungen). Deutlichstes Merkmal der „Ansicht“ ist die Art und Weise, wie der Akt des Beobachtens und Betrachtens nachgeahmt wird.104

Beim Betrachten früher Nonfiction-Filme fallen zwei ausgeprägte Gattungen von Ansichten auf. Es gibt Filme, die eine bestimmte Gegend in mehreren Einstellungen präsentieren. Diese Serie von Ansichten vermittelt ein vielschichtiges Ortsbild. Es geht um Städte, ländliche Gegenden oder um Reisen durch fremde Länder. Diese vielfältigen Ansichten, wie aus dem Fotoalbum eines Touristen, entsprechen in ihrer Ästhetik derjenigen späterer Reisefilme.105

Der dramatische Akt der visuellen Aneignung ist bei den sogenannten „Phantom rides“ dieser Zeit am deutlichsten. Hierunter versteht man Aufnahmen einer Landschaft oder eine städtische Umgebung von einem sich bewegenden Fahrzeug aus (vor allem Züge, aber auch Autos und Boote).106 Diese Filme, die auch heute ihre visuelle Kraft nicht verloren haben, vermitteln einen sich entfaltenden Horizont und den Eindruck eines sich durch den Raum bewegenden Auges. Der Akt des Sehens wird selbst ebenso deutlich sichtbar wie die gezeigte Ansicht. Ein Pendant zu diesen Filmen im Hinblick auf die zeitliche Organisation findet man in Filmen, die einen Prozess darstellen, wie z. B. eine komplexe industrielle Warenproduktion, einen handwerklichen Arbeitsvorgang, lokale Bräuche oder Feste. Bei solchen Filmen spielt die räumliche Logik eine Rolle, weil das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln präsentiert wird. Das dominante Organisationsprinzip ist die zeitliche Anordnung der verschiedenen Etappen des Prozesses in einer logischen Folge. Viele Filme verbinden die Entdeckung des Raumes und die Erläuterung zeitlicher Abläufe miteinander, so dass letztlich eine komplexe Struktur von Zusammenhängen entsteht. Beide Formen beruhen auf dem Prinzip der Aufeinanderfolge.107

Viele Aktualitätenfilme, vor allem Reisebilder und Filme über Handlungsabläufe, stehen beispielhaft für die Ästhetik der Ansicht. Der Wunsch der Enzyklopädisten, endlose und vollständige Kataloge von Weltbildern zu erstellen, erreicht seinen Höhepunkt in den Jahren zwischen 1910 und 1930.108


104 Vgl. ebd., S. 114.

105 Vgl. ebd., S. 115.

106 Ein noch im BArch-Filmarchiv Berlin existierendes Filmbeispiel, in dem u.a. eine städtische Umgebung von einem sich bewegenden Fahrzeug aus aufgenommen wird, ist: Berlin 1909 (Pathé Frères), hier Berlin von der Hoch- und Untergrundbahn. Das früheste erhaltene Städteporträt über Berlin stammt von Pathé aus dem Jahr 1908. Im untersuchten Filmkorpus findet man die „Phantom rides“ logischerweise am häufigsten in den Filmen zur Marine und zur Luftwaffe, da sich der Point of View von einem sich bewegenden Fahrzeug anbot.

107 Vgl. Gunning: Vor dem Dokumentarfilm, in: KINtop 4, hrsg. v. F. Kessler, S. Lenk, M. Loiperdinger, 1995, S. 116.

108 Vgl. ebd.

[Seite 114]

Diese Form des frühen non-fiction-Films nenne ich »Ansicht«. Dieser Ausdruck, der in zeitgenössischen Texten oft verwendet wurde, um frühe Aktualitätenfilme zu beschreiben (und vorher noch für Fotografien interessanter Orte oder Ereignisse), soll hervorheben, daß die Struktur dieser Filme sich immer um die Präsentation von etwas Visuellem dreht, um einen Blickfang oder einen besonderen Blickpunkt. [...] Ansichten beinhalten tendenziell die Aussage, daß das Gefilmte entweder bereits vor der Aufnahme existiert hat (Landschaften, Gebräuche, Arbeitsmethoden) oder auch ohne die Anwesenheit der Kamera stattgefunden hätte (Sportereignisse, Begräbnisse, Krönungen). [...]

Deutlichstes Merkmal der Ansicht ist die Art und Weise, wie hier der Akt des Schauens oder Beobachtens nachgeahmt wird.

[Seite 115]

Zwei breite Gattungen von Ansichten (sie sind nicht die einzigen) fallen beim Betrachten früher non-fiction-Filme auf. Zunächst gibt es Filme, die beim Besuch einer bestimmten Gegend entstehen und diese präsentieren. Anders als bei den für die Jahrhundertwende typischen Filmen geschieht dies jedoch nicht in einer Einstellung, sondern in mehreren, die zu einer Serie von Ansichten werden, um so ein vielschichtiges Bild des Ortes zu vermitteln. In solchen Filmen geht es um Städte, ländliche Gegenden oder sogar um Reisen durch fremde Länder. Die Bilder zeigen natürliche Landschaften, von Menschenhand geschaffene Strukturen oder eine Kombination von beidem; es gibt vielfältige Ansichten, wie im Fotoalbum eines Touristen, und diese Ästhetik entspricht auffallend derjenigen späterer Reisefilme. [...] Der dramatische Akt der visuellen Aneignung ist vielleicht nirgends so offensichtlich wie bei den phantom rides dieser Zeit, also den Filmen, in denen eine Landschaft oder eine städtische Umgebung von einem sich bewegenden Fahrzeug aus (Züge vor allem, aber auch Autos und Boote) aufgenommen werden. Diese Filme, die auch heute noch nichts von ihrer visuellen Kraft verloren haben, vermitteln einen sich entfaltenden Horizont, den Eindruck eines sich durch den Raum bewegenden Auges, wobei der Akt des Sehens selbst ebenso deutlich sichtbar wird wie die gezeigte Ansicht.

[...] Das Pendant zu diesen Filmen in Hinblick auf eine zeitliche Organisation findet man in Filmen, die einen Prozeß darstellen, ob es nun um eine komplexe industrielle Warenproduktion geht, um einen handwerklichen Arbeitsvorgang, um lokale Bräuche oder um Feste. Auch bei solchen Filmen spielt die räumliche Logik eine Rolle, weil das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln präsentiert wird [...] Das dominante Organisationsprinzip ist

[Seite 116]

allerdings die zeitliche Anordnung der verschiedenen Etappen des Prozesses in einer logischen Folge. Viele Filme verbinden beides miteinander, die Entdeckung des Raumes und die Erläuterung zeitlicher Abläufe, so daß letztlich eine komplexe Struktur aus der Betrachtung einzelner Aspekte und der Konstruktion von Zusammenhängen entsteht. Beide Formen beruhen vor allem auf dem Prinzip der Aufeinanderfolge; [...]

[...]

Viele Aktualitätenfilme, vor allem Reisebilder und Filme über Handlungsabläufe, stehen beispielhaft für diese Ästhetik der Ansicht. Der Wunsch, einen schier endlosen und tendenziell vollständigen Katalog von Ansichten der Welt zu erstellen, findet seinen Höhepunkt in den zehner und zwanziger Jahren mit den für Albert Kahn und seine Utopie von den Archives de la planète gedrehten Filmen.

Anmerkungen

Art und Umfang der Übernahmen bleiben ungekennzeichnet.

Sichter
(Graf Isolan) Schumann



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